Bildstörung

Der VfL Wolfsburg und der Videobeweis

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In Spiele mit VfL-Beteilingung wurden acht Entcheidungen peer Videobeweis geändert. Wir haben mal Nahchgeschaut, ob der Video-Schiedsrichter seine Glotze in Kölm nicht besser aus gehabt hätte. 

Von Tim Lüddecke 

Unterm Strich steht Frust. Urspünglich angedacht als ein Hilfsmittel, sorgte der vor dieser Saison eingeführte Videobeweis in der Hinrunde des Fußball-Bundesliga in den allermeisten Fällen für mehr Verwirrung als Aufklärung. In Spielen mit Beteiligung des VfL Wolfsburg wurden acht Schiri-Entscheidungen mit Hilfe des „Video Assist Referees“ geändert – kein anderer Klub war häufiger betroffen. Und immer wieder tauchte die Frage auf: Muss der VAR, der in Köln vor seinen Bildschirmen sitzt, da überhaupt eingreifen? Denn das soll er ja eigentlich nur tun, wenn die Schiri-Entscheidung eindeutig falsch ist. Wir haben die Wolfsburg-Beispiele in dieser Hinsicht unter die Lupe genommen: Glotze in Köln an oder aus?

2. Spieltag:
Eintracht Frankfurt – VfL 0:1


Schnell geklärt: Schiedsrichter Benjamin Cortus gab in der 29. Minute Elfmeter, weil Ignacio Camacho im Strafraum Kevin-Prince Boateng gelegt hatte. Die Videobilder zeigten aber eindeutig, dass Boateng zuvor im Abseits stand. Darum: Glotze an!

7. Spieltag:
VfL – FSV Mainz 05 1:1


Auch schnell geklärt: Mit einer spektakulären Grätsche haute der eingewechselte PG Ntep kurz vor Schluss den Mainzer Karim Onisivo um – und für fast alle im Stadion sah es so aus, als wäre das Foul innerhalb des Strafraums passiert. Auch Schiri Robert Hartmann zeigte auf den Elfmeterpunkt. Aber schon die erste Sky-Wiederholung der Szene zeigte sofort: Das Foul war außerhalb des Strafraums! Hartman korrigierte zu Recht auf Freistoß. Glotze an!

10. Spieltag:
FC Schalke 04 – VfL 1:1


Auf Schalke erlebte der VfL seinen ersten großen Videobeweis-Ärger. Zweimal griff der VAR vorschnell ein, als erst die Schalker und später die Wolfsburger einen schmeichelhaften Elfmeter zugesprochen bekamen. Als dann aber tatsächlich eine strittige Szene vorlag, blieb das Hilfsmittel ungenutzt. Aber der Reihe nach: In der 43. Minute entschied Schiedsrichter Markus Schmidt auf Zuruf von Video- Schiedsrichter Marco Fritz auf Elfmeter. Die Spieler gehen von einem Handspiel aus. Doch Schmidt ahndet ein angebliches Klammern von Wolfsburgs Josuha Guilavogui im Strafraum gegen Thilo Kehrer – eine alles andere als eindeutige Szene, deswegen hätte der VAR gar nicht eingriffen müssen. Darum: Glotze aus!

Ähnlich die Situation in Minute 59, als Schalkes Naldo VfL-Profi Yannick Gerhardt in den Rücken springt. Schiedsrichter Schmidt entschied erneut auf nach Rücksprache mit Video-Schiedsrichter Fritz – auf Elfmeter. Aber „Weiterspielen“ war auch hier nicht eindeutig falsch – Glotze aus!

Als Schalkes Kehrer kurz vor Schluss dann der Ball an die Hand springt und den Wolfsburgern somit ein vergleichsweise klarer Elfmeter verwehrt wird, greift der VAR nicht ein, was für extremen Frust sorgt: Dreifache Bildstörung – schlechter hätte der Videobeweis nicht eingesetzt werden können.

Hier passiert‘s! Die Bildschirme des Bundesliga-Videoschiedsrichters in Köln – in diesem Raum laufen die kniffigen Szenen aus allen möglichen Kamera-Perspektiven auf den Monitoren.
Hier passiert‘s! Die Bildschirme des Bundesliga-Videoschiedsrichters in Köln – in diesem Raum laufen die kniffigen Szenen aus allen möglichen Kamera-Perspektiven auf den Monitoren.
11. Spieltag:
VfL – Hertha BSC 3:3


Dieses Spiel hat gezeigt, dass der Videobeweis funktionieren kann – obwohl das Wort „Video-Wahnsinn“ auch hier die Runde machte. Denn da schießen die Wolfsburger schon fünf Tore und gewinnen trotz dem nicht – weil zwei Treff er aberkannt wurden. Nach dem Blitz-Rückstand durch Vedad Ibisevic (1. Minute) gibt es die vermeintlich schnelle Antwort in Minute sechs: Einen Freistoß von Daniel Didavi spitzelt John Anthony Brooks an den Pfosten, den Abpraller drückt Mario Gomez über die Linie – allerdings eindeutig aus dem Abseits kommend. Schiedsrichter Robert Kampka wird richtig korrigiert – Glotze an!

Dann fällt erneut der vermeintliche Wolfsburger Ausgleich – und wieder folgt die Ernüchterung durch den Videobeweis. Ein Schuss von Yunus Malli wird von Didavi, der im Abseits steht, noch abgefälscht. Wieder kein Treffer, aber wieder die richtige Entscheidung, die Partie gegen Hertha BSC scheint – vor allem aus Berliner Sicht – ein Plädoyer für den Videobeweis zu sein – Glotze an!

13. Spieltag:
FC Augsburg – VfL 2:1


Wenn Sie vor Gericht ein Plädoyer gegen den Videobeweis halten wollen – zeigen Sie einfach dieses Spiel! Besonders folgenschwer bei der ersten Niederlage unter Trainer Martin Schmidt: Die höchst umstrittene Rote Karte gegen Maximilian Arnold nach gerade einmal acht Minuten, obwohl Schiri Tobias Stieler dem Wolfsburger nach einem leichten Kontakt mit Augsburgs Angreifer Alfred Finnbogason zunächst nur die Gelbe Karte gezeigt hatte. Bis er sich die Szene noch mal in der Video- Area anguckte – und auf einmal der Meinung war, dass Arnold letzter Mann war, auch wenn Robin Knoche noch hätte eingreifen können. Eine krasse Fehlentscheidung wäre Gelb auf keinen Fall gewesen, darum gilt hier: Glotze aus!

Eine ebenso falsche Entscheidung war es, den Elfmeterp , nachdem VfL-Keeper Koen Casteels Augsburgs Ex-Wolfsburger Caiuby umgesenst hatte, doch wieder zurückzunehmen. Denn auch hier war die Fehlentscheidung nicht so eindeutig, dass der Videoassistent hätte eingreifen müssen, oder anders gesagt: Diesen Elfer muss man nicht geben, man kann ihn aber geben – und in solchen Fällen sollte ausschließlich die erste Entscheidung zählen. Stielers jeweils erste Entscheidungen waren in beiden Fälle also keine Fehlentscheidungen – und trotzdem griff der Assistent aus Köln ein, dabei wäre besser gewesen: Glotze aus!

Vier der Wolfsburger Videobeweis-Erlebnisse: Naldos Foul an Yannick Gerhardt, Thilo Kehrers Handspiel im Strafraum, Mario Gomez‘ Tor gegen Hertha aus Abseitsstellung und der Notbremsen-Platzverweis gegen Maximilian Arnold in Augsburg (von links).
Vier der Wolfsburger Videobeweis-Erlebnisse: Naldos Foul an Yannick Gerhardt, Thilo Kehrers Handspiel im Strafraum, Mario Gomez‘ Tor gegen Hertha aus Abseitsstellung und der Notbremsen-Platzverweis gegen Maximilian Arnold in Augsburg (von links).
Und was lernen wir daraus?

Unterm Strich stehen erst einmal vier richtige und vier falsche Anwendungen des Videobeweises, auch bei der Pro-und-Contra-Frage kommt aus Wolfsburger Sicht ein Unentschieden raus – vier Mal wurde zugunsten der Wolfsburger korrigiert, vier Mal zuungunsten. Aber gerade beim nicht gegebenen Elfmeter gegen Schalke (VfL-Sportdirektor Olaf Rebbe: „Ich habe da ein Handspiel von Kehrer gesehen.“) und der Roten Karte für Maximilian Arnold in Augsburg wurde der VfL klar benachteiligt. Sogar von der Konkurrenz gab es Beistand hinsichtlich dieser Entscheidungen.

„Es ist nicht unbedingt nötig, dass da der Videoschiedsrichter eingreift , weil es kein klarer Elfmeter war“, sagte Schalkes Kehrer zur Situation vor dem 0:1-Rückstand auf Schalke. Sein Sportdirektor Christian Heidel ergänzte: „Ich habe erst vor kurzem noch ein Rundschreiben bekommen, in dem steht: Der Video-Schiedsrichter soll nur bei klaren Fehlentscheidungen eingreifen. Für mich ist es immer merkwürdig, wenn der Hauptschiedsrichter zum Videoschirm geschickt wird. Dann kann es keine klare Fehlentscheidung sein.“ Und Augsburgs Sportdirektor Stefan Reuter sagte zum Arnold-Rot: „Wenn man da Gelb gibt, ist es keine hundertprozentige Fehlentscheidung, also ist es keine Szene für den Video-Assistenten.“

Nicht ganz ohne zu hadern nahm VfL-Coach Martin Schmidt zudem die beiden aberkannten Treffer gegen Hertha BSC hin. „Ich kann mir gut vorstellen, dass das vor zwei Jahren zwei Tore gewesen wären – aber jetzt zählen sie nicht, korrekterweise nicht“, sagte er. Und weiter: „Wenn der Videoassistent etwas zuungunsten des eigenen Teams revidiert, ist das natürlich bitter.“ Zweimal profitierte der VfL aber auch vom Videobeweis. Gegen Eintracht Frankfurt wurde ein Elfmeter gegen Kevin-Prince Boateng aberkannt, weil dieser sich im Abseits befand. Gegen Mainz 05 wurde ein als Elfmeter geahndetes Foul von PG Ntep doch noch außerhalb des Strafraums verlegt.

Mittelfeldspieler Maximilian Arnold hält trotzdem nichts von den Entscheidungen im Nachgang. „Der Fußball geht davon kaputt. Bei Toren müssen Emotionen raus.“ Und auch VfL-Torwart Koen Casteels reagierte nach dem Augsburg-Spiel angefressen: „In der Vorbereitung, als die Schiris da waren, haben sie gesagt: Der Videoassistent wird nicht viel eingreifen, nur in Ausnahmefällen, wenn der Schiri komplett falsch liegt. Aber ich habe noch kein Spiel gespielt ohne Videoassistent. Es muss ganz klar sein, bevor eingegriffen wird: Es muss ein Fehler des Schiris vorliegen.“

Andererseits zeigten sich die Spieler auch verständnisvoll. Arnold zu den aberkannten Toren gegen Berlin: „Wäre das für uns so gelaufen, hätten wir uns gefreut.“ Und Mario Gomez erklärte nüchtern: „Wir haben lange nach dem Videobeweis geschrien, jetzt haben wir ihn – und diesmal wurde dadurch ja auch richtig entschieden. Wir müssen Anlaufschwierigkeiten akzeptieren.“

Muss man das? Laut der Internetseite wahretabelle.de, die die Bundesligatabelle bereinigt um Schiedsrichter-Fehlentscheidungen ausweist, hätte der VfL zwei Punkte mehr auf dem Konto – und wäre Elfter. Sportdirektor Rebbe will sich mit derlei Spielereien allerdings nicht beschäftigen. „Wir haben uns auf Schalke mit dem Videobeweis intensiv beschäftigt, wir haben uns gegen Berlin damit intensiv beschäftigt, gegen Freiburg gab’s Szenen, die man besprechen kann – wenn ich die jetzt auch noch bespreche, dann unterhalten wir uns nicht mehr über Fußball. Das möchte ich aber“, sagt er. In der Hinrunde der Bundesliga war das viel zu oft nicht der Fall.

wahretabelle.de
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