Wenn nicht die, dann wir
Dass der VfL Meister werden konnte, lag auch an daran, dass andere Klubs in der Saison 2008/09 schwächelten. Allen voran der FC Bayern.
Ja, natürlich werde er auf dieses Tor noch angesprochen, sagt Grafite knapp zehn Jahre danach. Wo und wann? „Andauernd, auf der ganze Welt.“ Von links war er in die Mitte gedribbelt, am ersten Gegenspieler vorbei, am zweiten, dann ließ er sich vom Torwart und vom dritten Gegenspieler nicht stören und drückte den Ball aus sieben Metern per Hacke Richtung Tor, wo der letzte Gegenspieler noch retten wollte, was nicht mehr zu retten war. Ein wahnsinniger Treffer. Einer, an den man sich auch erinnern würde, hätte der Brasilianer ihn gegen Bremen, Bochum oder Barsinghausen erzielt. Aber er hat ihn gegen die Bayern gemacht. Gegen einen Gegner, der dieses große Tor noch viel größer werden lässt. „Fußball-Freunde in aller Welt, lehnt euch zurück und genießt!“, schrie der englische TV-Kommentator während der Zeitlupe.
Uli Hoeneß lehnte sich auch zurück, als dieses 5:1 für den VfL Wolfsburg am 4. April 2009 gefallen war. Der Bayern-Manager saß auf der Bank in der VW-Arena und würdigte Jürgen Klinsmann neben sich keines Blickes. Im Lächeln des Bayern-Trainers lag in diesem Moment eine Mischung aus Verlegenheit und Fatalismus, dann nickte er Tim Borowski zu, der sich für seine Einwechslung bereit machen sollte. Philipp Lahm, eine der Grafite-Slalomstangen, wurde dafür erlöst.
Uli Hoeneß lehnte sich auch zurück, als dieses 5:1 für den VfL Wolfsburg am 4. April 2009 gefallen war. Der Bayern-Manager saß auf der Bank in der VW-Arena und würdigte Jürgen Klinsmann neben sich keines Blickes. Im Lächeln des Bayern-Trainers lag in diesem Moment eine Mischung aus Verlegenheit und Fatalismus, dann nickte er Tim Borowski zu, der sich für seine Einwechslung bereit machen sollte. Philipp Lahm, eine der Grafite-Slalomstangen, wurde dafür erlöst.
Für die Statistik war dieses Tor, das später Tor des Jahres und bestes VfL-Tor aller Zeiten werden sollte, eher unbedeutend. Aber sein Symbolwert für diese Saison ist unendlich groß. Als der Ball über die Linie gekullert war, dämmerte jedem Wolfsburger, der es gesehen hatte: Ja, der FC Bayern wird womöglich in dieser Saison nicht deutscher Meister. Und wenn die es nicht werden, dann können es tatsächlich wir werden.
Dass man nur Meister werden kann, wenn die Bayern schwächeln, galt vor zehn Jahren noch nicht ganz so sehr wie in der Zeit danach. Aber dass die Bayern ab 2008 eine Menge falsch gemacht haben, gehört eben auch zu den Gründen für den Wolfsburger Triumph. Böse Zungen behaupten, dass sie eigentlich nur einen Fehler gemacht haben: Sie haben geglaubt, Klinsmann wäre ein Bundesliga-Trainer.
Dass man nur Meister werden kann, wenn die Bayern schwächeln, galt vor zehn Jahren noch nicht ganz so sehr wie in der Zeit danach. Aber dass die Bayern ab 2008 eine Menge falsch gemacht haben, gehört eben auch zu den Gründen für den Wolfsburger Triumph. Böse Zungen behaupten, dass sie eigentlich nur einen Fehler gemacht haben: Sie haben geglaubt, Klinsmann wäre ein Bundesliga-Trainer.
Schon im Januar 2008 stellte der FCB Klinsmann als Nachfolger für Ottmar Hitzfeld vor, der für den kommenden Sommer seine verdiente Fußball-Rente angekündigt hatte. Hoeneß sprach damals von „progressiven Ideen“, die der Sommermärchen-Bundestrainer mitbringen soll. Der wiederum sagte, dass er „jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen will“, und dass das eher nach ABC-Lernen im Waldorf-Kindergarten als nach Champions-League-Ansprüchen klang, fand man damals in München noch putzig. Auch dass den Spielern Yoga-Stunden verordnet wurden und Sofa-Landschaft en auf dem Trainingsgelände für Lounge-Atmosphäre sorgen sollten, nahmen Hoeneß und Co. noch hin. Als sich dann aber beim ersten Klinsmann-Pflichtspiel auch das Abwehrverhalten irgendwo zwischen Yoga und Sofa einpendelte und darum nur ein mühsames Pokal- 4:3 in Erfurt raussprang, kamen die ersten Fragen auf. Und schließlich warf man Klinsmann auch die Buddha-Figuren auf dem Dach der Geschäftsstelle vor, die gar nicht seine Idee gewesen waren.
In der Champions-League-Gruppenphase lief alles glatt, das übertünchte die spielerisch eher maue Bayern-Hinrunde in der Bundesliga, in der Klinsmann seine bevorzugte Dreier-Abwehrketten-Taktik aufgeben musste. Aber immerhin war er Weihnachten Zweiter – punktgleich mit Sensations-Herbstmeister Hoffenheim. Doch als der Aufsteiger den Ausfall von Super-Torjäger Vedad Ibisevc (18 Hinrunden-Treffer) nicht kompensieren konnte, war es nicht der FC Bayern, der davon profitierte – sondern es waren die Teams, die auf ihrem Weg zur Tabellenführung gegen die Münchner gewannen. Erst der HSV, dann Hertha und schließlich der VfL. Der europäische Achtelfinal-Triumph der Bayern (5:0 und 7:1 gegen Sporting Lissabon!) war für Klinsmanns Bayern-Amtszeit da schon lebensverlängernd. Dass er zur Rückrunde nur den völlig überschätzten US-Nationalspieler Landon Donovan hatte holen wollen (und geholt hat), speicherten seine Bosse schnell unter „Fehler des Trainers“ ab. Und diese Akte wuchs.
„Bonne but!“, „Schönes Tor“, sagte Frank Ribery, als er nach dem Bayern- Desaster in Wolfsburg mit Grafite nicht nur das Trikot, sondern auch die Rollen tauschte. Der VfL wurde an diesem Tag Tabellenführer, übernahm die Spitze von der Berliner Hertha. Und aus dem FC Bayern, für den nur Titel zählen, wurde ein trauriger Jäger. Die klare Niederlage in der VW-Arena war kein Zufall, sondern vor allem auch eine taktische Lehrstunde für den unerfahrenen Fußball-Übungsleiter, der von seinem Gegenüber Felix Magath mit schlichtem, aber effizientem Umschaltspiel nach der Pause überrumpelt wurde und der gegen die individuelle Power dieses VfL keine Idee hatte.
Klinsmann wechselte nach dem 1:5 von Wolfsburg den Torwart, obwohl der als Nachfolger von Oliver Kahn überforderte Michael Rensing in der Saison schon deutlich schlechtere Spiele gemacht hatte als das in der VW-Arena. Er stellte beim kommenden Champions-League-Spiel in Barcelona Hans Jörg Butt zwischen die Pfosten – mit der Begründung, nun seien „besonders Erfahrung und Ausstrahlung gefragt“. Ein Satz, der beide Karrieren nachhaltig beschädigt hat. Die von Rensing und die von Klinsmann, dessen Entscheidungen endgültig einen eklatanten Mangel an Nachvollziehbarkeit aufwiesen.
Klinsmann wechselte nach dem 1:5 von Wolfsburg den Torwart, obwohl der als Nachfolger von Oliver Kahn überforderte Michael Rensing in der Saison schon deutlich schlechtere Spiele gemacht hatte als das in der VW-Arena. Er stellte beim kommenden Champions-League-Spiel in Barcelona Hans Jörg Butt zwischen die Pfosten – mit der Begründung, nun seien „besonders Erfahrung und Ausstrahlung gefragt“. Ein Satz, der beide Karrieren nachhaltig beschädigt hat. Die von Rensing und die von Klinsmann, dessen Entscheidungen endgültig einen eklatanten Mangel an Nachvollziehbarkeit aufwiesen.
Butt, der vorher nie eine Bundesliga-Minute für die Bayern gespielt hatte, kassierte in den ersten zwölf Minuten in Barcelona zwei Gegentore, am Ende hieß es 0:4. „Die Spieler müssen auch mal ihren Kopf hinhalten“, maulte Klinsmann, während die Fans mit „Klinsi-raus!“-Plakaten ihre Problemlösungskonzepte längst in der Kurve präsentierten.
Ein Tor von Halil Altintop und ein 0:1 gegen Schalke schufen schließlich Fakten. Gut drei Wochen nach der Demütigung durch Grafites Hacke musste Klinsmann gehen. „Das beste Konzept nützt dir nix, wenn nicht irgendwann die Ergebnisse kommen“, urteilte Hoeneß. Altmeister Jupp Heynckes übernahm und führte die Bayern am Ende halbwegs souverän zur Vizemeisterschaft. An dem Team aber, das am 4. April 2009 alle Bayern-Sorgen dieser Saison in 90 Minuten versinnbildlicht und einen der größten Siege der Wolfsburger Fußball-Geschichte gefeiert hatte, war kein Vorbeikommen mehr. apa
Ein Tor von Halil Altintop und ein 0:1 gegen Schalke schufen schließlich Fakten. Gut drei Wochen nach der Demütigung durch Grafites Hacke musste Klinsmann gehen. „Das beste Konzept nützt dir nix, wenn nicht irgendwann die Ergebnisse kommen“, urteilte Hoeneß. Altmeister Jupp Heynckes übernahm und führte die Bayern am Ende halbwegs souverän zur Vizemeisterschaft. An dem Team aber, das am 4. April 2009 alle Bayern-Sorgen dieser Saison in 90 Minuten versinnbildlicht und einen der größten Siege der Wolfsburger Fußball-Geschichte gefeiert hatte, war kein Vorbeikommen mehr. apa