Der wahre Quälix hiess Werner

Er war Oberleutnant der Gebirgsjäger, machte Steffi Graf fit und hat einen Riesenanteil an der VfL-Meisterschaft 2009. Dabei ging es für Werner Leuthard hauptsächlich nur darum, dass alle gesund bleiben.
Das schnelle Comeback nach der Meniskus-Op: Grafite stand in der Rückrunde 2008/09 früher wieder auf dem Platz als gedacht – und erzielte beim Wolfsburger Sieg in Hamburg zwei Tore.
Das schnelle Comeback nach der Meniskus-Op: Grafite stand in der Rückrunde 2008/09 früher wieder auf dem Platz als gedacht – und erzielte beim Wolfsburger Sieg in Hamburg zwei Tore.
Von Engelbert Hensel  

Das lockere Abschlusstraining an diesem 28. Februar 2009, einem Samstagnachmittag, war gerade beendet, Felix Magath hatte seine Pros wie fast immer vor den Spielen Fußball-Tennis spielen lassen. Ein bisschen Spaß nach einer anstrengenden Trainingswoche vor dem Spiel beim Hamburger SV. Ganz gemütlich schlenderte das VfL-Trainerteam hernach Richtung Kabine, als Werner Leuthard etwas beim Chef loswerden musste: „Wenn wir dieses Spiel gewinnen“, so der Fitnesstrainer, „dann werden wir Meister!“ Cherainer Felix Magath schwieg. 

„Was hätte er damals auch sagen sollen?“, fragt Leuthard gut zehn Jahre später. Dieser Moment, „das musste raus, das war meine Meinung“. Man habe sich ansonsten im Trainerteam während der Saison wenig über Tabellenplätze und Tendenzen unterhalten, weil es auch nichts bringe und „weil Fußball so schnelllebig ist. Aber ich habe damals einfach gespürt: Die Mannschaft will jetzt alles“, schildert Leuthard.
            
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Der VfL gewann an diesem 22. Spieltag mit 3:1 beim HSV, maßgeblichen Anteil daran hatte Grate. Einer, den Leuthard mit seiner akribischen Art zu Höchstleistungen getrieben hatte. Der Mann ist so etwas wie ein Muskel-Versteher, einer, den Magath in seiner Zeit als Trainer des VfB Stuttgart kennen- und schätzen gelernt hatte. Leuthard war damals von einem Spielerberater gebeten worden, den einstigen Bundesliga-Torjäger Sean Dundee (damals noch beim VfB) während der Sommerpause fitzumachen. Zuvor jedoch hatte er sich mit Magath getroffen. Es war schnell klar, „dass wir auf einer Wellenlänge sind, was inhaltliche Komponenten des Trainings und der Führung von Spielern betrifft“, erinnert sich Leuthard.

Kein Wunder also, dass beide bald zusammen arbeiten – ab Sommer 2007 ging es nach Wolfsburg, wo sich der VfL zuvor zweimal gegen den Abstieg gestemmt hatte und wo der Resetknopf gedrückt werden musste. Rahmenbedingungen, die Leuthard eher egal waren: „Wenn ich etwas anfange, geht‘s darum, Spieler besser zu machen.“ Mit knallhartem Training trug Leuthard dazu bei, dass sein Chef dem Spitznamen „Quälix“ alle Ehre macht – dabei war es o der Fitmacher, der den Übungstakt vorgab. „Das Ziel muss sein, die Spieler widerstandsfähig gegen Verletzungen zu machen“, beschreibt Leuthard seinen Job. „Es geht um Prävention.“ Dass einer wie Leuthard ob seiner harten, aber stets wirkungsvollen Trainingsmethoden gern auch mal „Werner Beinhart“ oder „General“ genannt wird, kommt dann von selbst. Letzteres auch, weil Leuthard Oberleutnant bei der Bundeswehr war, sechs Jahre lang war er bei den Gebirgsjägern. „Wenn mich jemand so nennen möchte, dann soll er das tun. Ich bin da emotionslos“, sagt Leuthard. „Ich kann mich ganz gut selbst einschätzen – ich weiß, was ich kann und was nicht.“ Das weiß auch sein damaliger Chef. „Werner Leuthards Anteil an der Meisterschaft war riesengroß“, sagt Felix Magath, „heute finde ich es manchmal ein bisschen schade, dass ich das nicht schon damals mehr betont habe.“
             
Er durfte sagen, wo es langgeht: Werner Leuthard war ab 2007 Magaths Mann für die Fitness der VfL-Profis.
Er durfte sagen, wo es langgeht: Werner Leuthard war ab 2007 Magaths Mann für die Fitness der VfL-Profis.
Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr studierte Leuthard in München, packte sich psychologische und sportwissenschaftliche Kenntnisse drauf, dann arbeitete er in einem Fitnessstudio in Bad Gögging in Bayern, zwischenzeitlich kümmerte er sich um den Fitnesszustand der einstigen Top-Tennisspielerinnen Ste Graf und Anke Huber, bevor ihn der Fußball und Magath packten. Es ist dieser Spaß am Leistungsgedanken, der sie eint, den sie auch in Wolfsburg mit Nachdruck verfolgen. Leuthard steht dabei besonders in der Vorbereitung der Saison im Blickpunkt, er ist berühmt für seine Trainings mit den von vielen Spielern gehassten Medizinbällen, die noch so gestandene Pros zur völligen Erschöpfung treiben können. Doch irgendwann stellen auch die Spieler fest, so seine Sicht der Dinge, dass diese schweißtreibenden Einheiten sie voranbringen. Spätestens dann, wenn der Spieler merke, dass er innerhalb einer Saison weniger verletzt sei. Top-Torjäger Grate und seine Kollegen waren so bestens vorbereitet in die Rückrunde der Meistersaison gegangen. Selbst nach Verletzungen waren sie schnell wieder zurück. Wie etwa Grate selbst, der trotz einer Meniskus-OP in Rekordzeit wieder hatte spielen können. Erstmals wieder beim von Leuthard erwähnten Sieg in Hamburg, bei dem Grate auch noch ein Doppelpack gelungen war. „Dass er überhaupt die Bereitschaft signalisiert hatte, bei dieser Partie spielen zu wollen, war sagenhaft.“

Es sei schwer, einen Spieler aus dem „vom Felix gigantisch gut zusammengestellten Kader von 2009“ herauszuheben, sagt Leuthard, „denn es geht immer um das große Ganze, die Mannschaft ist das Wichtigste“, aber Grate sei eben eine Ausnahme-Erscheinung gewesen. „Dieser Spieler hat mich mit seiner Präsenz und seiner Mentalität beeindruckt. Grate war einfach außergewöhnlich, er war sensationell.“ Mit 28 Toren holte sich der Brasilianer zweieinhalb Monate nach Leuthards Meister-Eingebung die Torjägerkanone und der VfL seine erste deutsche Meisterschaft, für den heutigen Konditionstrainer von Eintracht Frankfurt wiederum war es bereits die dritte, nachdem er zuvor an der Seite von Magath zweimal in Folge die Schale mit dem FC Bayern gewonnen hatte.

Ganz Wolfsburg stand am 23. Mai 2009, nach dem 5:1 im Saisonnale gegen Bremen, Kopf, Leuthard wiederum genoss den Titel bei einem alkoholfreien Bier eher still. „Ich bin ein Mensch, der eine hohe Zufriedenheit entwickelt, wenn er sieht, dass die eigene Arbeit für die Mannschaft etwas gebracht hat“, sagt er. „Das ist dann die wichtigste Auszeichnung, da braucht es nichts Anderes mehr.“
            
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