Früh-Zünder & Torschus-Paniker

GLAUBT MAN DEN ZAHLEN, HAT DER VfL ZWEI BESONDERS GROSSE SORGEN: ER NUTZT SEINE CHANCEN NICHT, UND ER KASSIERT ZU VIELE SPÄTE TORE.

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Das späteste VfL-Gegentor: Salomon Kalou trifft für Hertha per Elfer.
Der VfL im Liga-Vergleich: von Matthias Soiné und opta

Nur gut, dass der VfL die letzten beiden Spiele vor der Winterpause gewonnen hat... Aber auch so sind die Zahlen alarmierend genug. Was für ein Absturz! Noch nie hatte Wolfsburgs Bundesligist nach 16 Partien so wenige Punkte (16) wie diesmal – nach 26 in der Vorsaison und 31 in der Vizemeister-Spielzeit 2014/15. Mit allen fußballerischen Grundtugenden ging es ebenfalls steil bergab. Die Passgenauigkeit sank im Vergleich zur (nicht mal für VfL-Verhältnisse überragenden) Vorjahres-Hinrunde von 83,8 auf 78,1 Prozent, die Quote der bei Mitspielern angekommenen Flanken von 26,1 auf 17 Prozent, der Anteil der gewonnenen Zweikämpfe von 53,7 auf 50,7 Prozent.

Und auch wenn Wolfsburg im letzten Hinrunden-Spiel noch Boden gutmachen kann, wird bei den absoluten Zahlen ebenfalls ein eklatanter Abfall deutlich: 151 Torschüsse (207 in den ersten 17 Partien 2015/16) – davon 42,4 (45,9) Prozent aufs Tor – sowie 159 (234) Flanken aus dem Spiel heraus konnten die Statistik-Experten von opta bislang erst notieren.

Erschreckend (nur nicht für die Gegner) auch die Entwicklung bei der Chancenverwertung: Von schon dürftigen 12,6 Prozent vor einem Jahr ging‘s runter auf mickrige 9,9 Prozent, die Torquote des VfL Harmlos sackte von 1,53 auf 0,94 pro Spiel ab. Noch weniger Durchschlagskraft entwickelten nur Augsburg, Darmstadt und Ingolstadt – Mitkonkurrenten im Abstiegskampf. Wie wichtig Konsequenz im Abschluss ist, unterstreicht die Spitzengruppe in Sachen Chancenverwertung: Genau wie in der Bundesliga-Tabelle rangieren hier Leipzig, Hertha, Bayern und Hoffenheim unter den Top Fünf.

Dass Wolfsburgs Torschuss-Paniker beim Auslassen von Großchancen (opta-Definition: „Wenn ein Spieler die Möglichkeit hat, ein Tor zu erzielen, und von ihm erwartet werden kann, diese zu nutzen – etwa 1-gegen-1-Situationen mit dem Torhüter, freie Schüsse innerhalb des Strafraums und Elfmeter“) ebenfalls im Liga-Keller zu finden sind, kann nicht überraschen. Die Verwandlungs-Quote von 34,6 (Liga-Schnitt: 45) Prozent unterbieten mit Darmstadt, Gladbach und Ingolstadt wiederum nur (weitere) abstiegsbedrohte Klubs. Dass die Rate der Bayern (40,4) kaum besser ist, darf nicht täuschen. Denn der Wintermeister erspielte sich mit 52 genau doppelt so viele Top-Möglichkeiten wie der VfL, und machte daraus 21 Treffer – Wolfsburg kam nur auf neun.

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Die größte der vergebenen VfL-Großchancen: Mario Gomez scheitert gegen Dortmund.
Übersichtlich gestaltet sich auch das Repertoire beim Toreschießen: Nach Kontern und aus der Distanz (in immerhin 73 Versuchen) brachte der VfL jeweils gerade mal ein Trefferchen zustande, findet in beiden Kategorien also fast nicht statt. Bei den Weitschuss-Gegentoren stimmen gleich zwei Werte nachdenklich: Wolfsburg kassierte ein halbes Dutzend und damit die drittmeisten, ließ obendrein die Gegner gleich 102 Mal von außerhalb des Strafraums zum Torschuss kommen, was einzig Bremen überbieten kann.
Übersichtlich gestaltet sich auch das Repertoire beim Toreschießen: Nach Kontern und aus der Distanz (in immerhin 73 Versuchen) brachte der VfL jeweils gerade mal ein Trefferchen zustande, findet in beiden Kategorien also fast nicht statt. Bei den Weitschuss-Gegentoren stimmen gleich zwei Werte nachdenklich: Wolfsburg kassierte ein halbes Dutzend und damit die drittmeisten, ließ obendrein die Gegner gleich 102 Mal von außerhalb des Strafraums zum Torschuss kommen, was einzig Bremen überbieten kann.

Dabei zählt die Defensive zu den wenigen VfL-Lichtblicken im bisherigen Saisonverlauf. Die sechs Zu-Null-Spiele werden nur von den Bayern (acht) und Frankfurt (sieben) getoppt, zudem präsentierten sich die Wolfsburger als echte Früh-Zünder: Ein einziges Gegentor (durch Dortmunds Guerreiro) zwischen der 1. und der 15. Minute bedeutet gemeinsam mit Hertha sogar Liga-Bestwert!

Doch was nützt es, in der Anfangsviertelstunde hellwach zu sein, wenn in der Schlussviertelstunde so gut wie nichts mehr geht? Ausgerechnet in der entscheidenden Phase (79 der bisher 391 Saisontreffer fielen zwischen 76. Minute und Schlusspfiff, weitere 20 in der Nachspielzeit) präsentierte sich der VfL wie ein Abstiegskandidat, kassierte mit neun Gegentoren die zweitmeisten und erzielte mit nur drei Treffern die (gemeinsam mit Ingolstadt und dem HSV) wenigsten.

Das Verteidigen von Vorsprüngen gelang nicht oft genug, erfolgreiche Aufholjagden praktisch gar nicht – beides hatte natürlich bittere Konsequenzen für das Punktekonto: Der VfL verlor dreimal trotz Führungen (immerhin vier Siege) und blieb nach Rückständen ohne Sieg (ein Remis, acht Niederlagen) – das einzige Pünktchen sprang beim 1:1 in Ingolstadt heraus.

Ein Kapitel für sich sind Wolfsburgs Heim- und Auswärtsbilanzen. Traurig: Aus der einstigen Festung Volkswagen-Arena (erst vor gut einem Jahr riss die 29-Heimspiele-ohne-Niederlage-Vereinsrekord-Serie) ist ein Punkte-Abholmarkt geworden. So dürftige Zahlen hatte der VfL während seiner Bundesliga-Geschichte in den ersten acht Heimspielen einer Saison noch nie geschrieben:

Die fünf Zähler sind ebenso Tiefstwert wie die fünf erzielten Tore. Und den ersten Heimsieg hatte es bisher immer spätestens im fünften Spiel gegeben – diesmal mussten die Fans bis zur achten Partie (1:0 gegen Frankfurt) warten.

Verrückt dagegen: Elf ihrer 16 Punkte holten die Wolfsburger auswärts – das ist mit knapp 69 Prozent der höchste Anteil liga-weit! Noch mehr Zähler räumte in der Fremde nur das Top-Duo Leipzig und Bayern ab. Aber weil der VfL zwar ein hungriger Gast, doch neben Ingolstadt eben auch der bisher großzügigste Gastgeber der Liga war, sieht‘s unter dem Strich trotzdem dürftig aus.

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