Ziemlich nah dran an der Bundesliga

27 Jahre vor dem Aufstieg in die Bundesliga klopfte der VfL Wolfsburg schon einmal an das Tor zur höchsten deutschen Fußball-Klasse. Doch in der Aufstiegsrunde 1970 war der Vize-Meister der damals zweitklassigen Regionalliga Nord am Ende chancenlos. Ein halbes Jahrhundert ist das jetzt her.
Volle Ränge am Elsterweg: Das erste Aufstiegsrunden-Heimspiel am 3. Juni 1970 gegen den FK Pirmasens vor 12.000 Zuschauern.
Volle Ränge am Elsterweg: Das erste Aufstiegsrunden-Heimspiel am 3. Juni 1970 gegen den FK Pirmasens vor 12.000 Zuschauern.
Dieser Elfmeter. Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, wäre dieser Elfmeter reingegangen. 30 Minuten waren gespielt am Bieberer Berg in Offenbach, mehr als 25.000 Menschen verfolgten die Partie im Stadion, die meisten von ihnen hatten gerade die Führung ihrer Kickers gegen den VfL Wolfsburg durch Josef Weilbächer bejubelt. Kurz darauf fällt VfL-Außenstürmer Karl-Heinz Borutta aus dem Strafraum ins Toraus. Seine Chance hatte Torwart Karlheinz Volz schon vereitelt, aber Verteidiger Hans Reich berührte Borutta noch, das reichte für Schiedsrichter Rudolf Schröck, um auf den Punkt zu zeigen.

„Der Wilfried“, so erinnert sich Ingo Eismann, heute 72 und damals VfL-Außenverteidiger, „war eigentlich ein ganz sicherer Elfmeterschütze“. Nicht an diesem 30. Mai 1970. Die Proteste der Offenbacher, die die Ausführung des Elfmeters verzögerten, schien Wilfried Kemmer zwar gut wegzustecken, der Ball landete dennoch am Pfosten und sprang von da in die Arme von Volz. Chance vertan, wenige Minuten später fiel das 2:0 für Offenbach. In der Schlussphase des Spiels machten die Wolfsburger dann noch ordentlich Druck, aber zu mehr als einem Borutta-Tor reichte es nicht mehr.
Der Spätfrühling 1970 war ein aufregender. Andreas Baader wurde gewaltsam aus der Haft befreit, Bundeskanzler Willy Brandt traf seinen DDR-Kollegen Willi Stoph in Kassel – und ganz Deutschland diskutierte über die Frage, ob Uwe Seeler und Gerd Müller wirklich gemeinsam bei der WM in Mexiko für Deutschland stürmen sollten. Und dann war da noch die Aufstiegsrunde zur Fußball-Bundesliga, eine höchst spezielle Angelegenheit. Der VfL war dabei. Zum ersten und einzigen Mal. Und er startete mit dem 1:2 in Offenbach.
Verkehrte Welt: Das VfL-Maskottchen war damals ein Bock, einen Wolf gab es dafür auf dem Spielfeld: Wolf-Rüdiger Krause (l.), hier im Duell mit Offenbachs Erwin Kremers, der zusammen mit Zwillingsbruder Helmut später bei Schalke 04 Nationalspieler werden sollte.
Verkehrte Welt: Das VfL-Maskottchen war damals ein Bock, einen Wolf gab es dafür auf dem Spielfeld: Wolf-Rüdiger Krause (l.), hier im Duell mit Offenbachs Erwin Kremers, der zusammen mit Zwillingsbruder Helmut später bei Schalke 04 Nationalspieler werden sollte.
Als 1963 die Bundesliga eingeführt wurde, bildeten fünf Regionalligen den Unterbau, eine 2. Liga gab es noch nicht. Die fünf Meister und die Vizemeister dieser Regionalligen ermittelten in zwei Gruppen je einen Aufsteiger – ein knüppelharter Wettbewerb mit acht Spielen in gut vier Wochen, in dem schon der zweite Platz nichts mehr wert war. „Dass wir da mitspielen durften“, so Eismann, „war aufregend, vor allem für mich in meinem ersten Jahr in der Ersten. Aber wirklich in die Bundesliga aufsteigen? Daran hat damals keiner von uns gedacht.“

Von 1954 bis 1959 war der VfL schon einmal erstklassig gewesen, spielte in der Oberliga Nord, ehe es wieder in die Amateuroberliga Niedersachsen runterging. 1963 war dann ein (fast) perfektes Jahr, der VfL wurde Meister der Ost-Staffel, fertigte West-Meister VfB Oldenburg im Finale um den Niedersachsentitel mit 8:2 ab, sicherte sich einen Platz in der neuen Regionalliga und wurde in der deutschen Amateurmeisterschaft erst im Finale von den Amateuren des VfB Stuttgart gestoppt.

In der neuen Liga fühlte sich der VfL dann schnell wohl. Platz neun 1964, Platz sechs 1965, Platz acht 1966, Platz vier 1967 – und dann das Drama 1968, als ein 1:2 im letzten Spiel gegen Göttingen 05 den Wolfsburgern die erstmalige Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur Bundesliga vermasselte. Nach Platz sieben 1969 war es dann ein Jahr später so weit. In einem famosen Schlussspurt kletterte der VfL an den letzten Spieltagen der Saison noch von Rang fünf auf Rang zwei und zog zusammen mit dem VfL Osnabrück endlich in die Aufstiegsrunde ein. 
Skat Abend: Nach dem Abschlusstraining kamen in der Vereinskneipe am Wolfsburger Elsterweg die Karten auf den Tisch. Ingo Eismann (Dritter von rechts), talentierter Außenverteidiger, war damals der Jüngste im VfL-Team, überzeugte durch enorme Einsatzfreude und schaffte es am Ende des Jahres sogar in die bis heute regelmäßig veröffentlichte „Kicker-Rangliste des deutschen Fußballs“.
Skat Abend: Nach dem Abschlusstraining kamen in der Vereinskneipe am Wolfsburger Elsterweg die Karten auf den Tisch. Ingo Eismann (Dritter von rechts), talentierter Außenverteidiger, war damals der Jüngste im VfL-Team, überzeugte durch enorme Einsatzfreude und schaffte es am Ende des Jahres sogar in die bis heute regelmäßig veröffentlichte „Kicker-Rangliste des deutschen Fußballs“.
Es war ein illustrer Kreis, der sich da in der Wolfsburger Gruppe tummelte. Kickers Offenbach aus Hessen, der FK Pirmasens aus der Pfalz, der VfL Bochum aus dem Westen und der souveräne Berlin-Meister Hertha Zehlendorf.

Favorit? „Keine Ahnung“, sagt Ingo Eismann, „wir konnten die Spielstärke der anderen ja gar nicht einschätzen.“ Ahnen konnte man allerdings, dass die Kickers aus Offenbach sehr ambitioniert an die Sache rangehen würden. Zum einen, weil sie im DFB-Pokal bereits den Bundesligisten 1860 München mit 4:1 vom Bieberer Berg gekullert hatten, zum anderen, weil sie mit einer spektakulären Personalie überrascht hatten: Zu Beginn des Jahres 1970 wurde Zlatko „Tschick“ Cajkovski Offenbach-Trainer. Der damals 47-jährige Kroate mit gedrungenem Körper und schlagfertigen Antworten („Das ist kein Unvermögen, bei uns ist das Kunst“) war 1962 mit Köln Meister geworden, hatte anschließend die Bayern erst in die Bundesliga und dann zum ersten Europapokal-Triumph des Vereins geführt. Ein Star-Trainer.

Allerdings: Am ersten Spieltag (an dem der VfL das spielfreie Team in der Fünfergruppe war) hatte es einen Fehlstart gegeben, bei Hertha Zehlendorf kassierten Cajkovskis Kickers eine 1:2-Niederlage, standen am zweiten Spieltag gegen Wolfsburg schon unter Druck – und mühten sich zum Sieg. „Geht unser Elfmeter rein“, so Eismann, „geht vielleicht nicht nur das Spiel, sondern die Aufstiegsrunde anders aus“. Doch trotz der Niederlage fuhr das VfL-Team selbstbewusst in seinen drei VW-Bullis wieder heim. 
Auftaktpleite: Am Ende stand eine knappe 1:2-Niederlage, doch schon im ersten Wolfsburger Spiel der Aufstiegsrunde wurden die sportlichen Verhältnisse sichtbar. Der spätere Aufsteiger Kickers Offenbach ging am Bieberer Berg durch zwei Tore innerhalb von zehn Minuten in Führung, Wolfsburgs Torwart Dieter Grünsch und seine Kollegen Waldemar Gust (links) und Karl-Heinz Borutta (rechts) atmen hier nach dem zweiten Gegentreffer tief durch.
Auftaktpleite: Am Ende stand eine knappe 1:2-Niederlage, doch schon im ersten Wolfsburger Spiel der Aufstiegsrunde wurden die sportlichen Verhältnisse sichtbar. Der spätere Aufsteiger Kickers Offenbach ging am Bieberer Berg durch zwei Tore innerhalb von zehn Minuten in Führung, Wolfsburgs Torwart Dieter Grünsch und seine Kollegen Waldemar Gust (links) und Karl-Heinz Borutta (rechts) atmen hier nach dem zweiten Gegentreffer tief durch.
Vier Tage später war der FK Pirmasens in Wolfsburg zu Gast. Und der VfL hatte Bock auf den Heimstart in diese Aufstiegsrunde, genauer: einen Zwergziegenbock, den Fans einem Tierpfleger in Essehof abgeschwatzt hatten und der – versehen mit einem grün-weißen Deckchen – am 3. Juni 1970 hinter Schiedsrichter Franz Heumann mit den Teams am Elsterweg auflief.

12.000 Zuschauer waren dabei, die größte Fußball-Kulisse seit Jahren in Wolfsburg. Sogar VW-Chef Kurt Lotz war da und sah den taktisch abgeklärten Tempofußball einer Pirmasenser Mannschaft, die nicht umsonst hinter dem SV Alsenborn (wo Fritz Walter als Trainer gewirkt hatte und immer noch Berater war) Vizemeister der Südwest-Regionalliga geworden war. Angetrieben von Angreifer Dieter Weinkauff, der schon einen Vertrag bei Borussia Dortmund in der Tasche hatte, dominierte der FKP die Partie, und ohne einen starken Dieter Grünsch im VfL-Tor hätten die Gäste nach einer Stunde nicht mit 2:0, sondern deutlich höher geführt. Doch während auf den Rängen schon über das am selben Mittwochabend anstehende WM-Auftaktspiel der deutschen Mannschaft in Mexiko gegen Marokko gefachsimpelt wurde, bäumte sich der VfL noch einmal auf. Wolf-Rüdiger Krause traf nach Kopfball-Ablage von Kemmer zum Anschlusstreffer, der angeschlagen ins Spiel gegangene Kapitän Dieter Thun lupfte den Ball über Pirmasens-Keeper Peter Jann zum Ausgleich ins Netz, in der Schlussphase war der Siegtreffer möglich. „Bei 0:2 dachten wir, dass die Aufstiegsrunde quasi schon vorbei ist“, so Eismann. „Aber durch den einen Punkt blieben wir im Rennen.“ Und das auch, weil sich die Konkurrenz die Punkte gegenseitig wegnahm – nach drei Spieltagen war kein Team mehr ohne Niederlage, weder in der VfL-Gruppe II noch in der Gruppe I, wo Alsenborn durch ein 3:2 gegen Osnabrück erst einmal die Tabellenführung übernommen hatte.

In Wolfsburg hatte die Aufholjagd gegen Pirmasens derweil Spuren hinterlassen - und das wurde an einem äußert warmen Juni-Samstag in Bochum sichtbar. Trainerfuchs Imre Farkaszinski hatte sich für dieses Spiel einen Taktikwechsel ausgedacht, ließ seine sonst eher verhaltene Mannschaft „anne Castroper“, wie die Bochumer die Spielstätte ihres VfL bis heute nennen, erst einmal stürmen. 
Der Trainer: Imre Farkaszinski, Mitglied der ungarischen Studenten-Nationalmannschaft, gehörte zu den Unterstützern des Volksaufstandes in seiner Heimat und musste 1956 fliehen. Er landete 1958 in Wolfsburg, wo er nicht nur als Lehrer arbeitete, sondern als Nachfolger von Walter Risse auch schnell VfL-Trainer wurde – die erste seiner vier Amtszeiten. Mit einer Mischung aus Strenge und hintergründigem Humor verschaffte er sich Respekt. Spieler Ingo Eismann: „Arbeit war bei ihm Arbeit, und Spaß war Spaß - und wir alle wussten, wann was bei ihm dran war.“ Nach dem Ende des kommunistischen Systems in Ungarn zog Farkaszinski (hier mit Torjäger Wilfried Kemmer) 1989 zurück nach Budapest, war aber immer mal wieder in Wolfsburg und bei VfL-Heimspielen zu Gast. Im Oktober 2015 verstarb „Farka“, wie er in Wolfsburg genannt wurde, im Alter von 91 Jahren.
Der Trainer: Imre Farkaszinski, Mitglied der ungarischen Studenten-Nationalmannschaft, gehörte zu den Unterstützern des Volksaufstandes in seiner Heimat und musste 1956 fliehen. Er landete 1958 in Wolfsburg, wo er nicht nur als Lehrer arbeitete, sondern als Nachfolger von Walter Risse auch schnell VfL-Trainer wurde – die erste seiner vier Amtszeiten. Mit einer Mischung aus Strenge und hintergründigem Humor verschaffte er sich Respekt. Spieler Ingo Eismann: „Arbeit war bei ihm Arbeit, und Spaß war Spaß - und wir alle wussten, wann was bei ihm dran war.“ Nach dem Ende des kommunistischen Systems in Ungarn zog Farkaszinski (hier mit Torjäger Wilfried Kemmer) 1989 zurück nach Budapest, war aber immer mal wieder in Wolfsburg und bei VfL-Heimspielen zu Gast. Im Oktober 2015 verstarb „Farka“, wie er in Wolfsburg genannt wurde, im Alter von 91 Jahren.
Die Spieler folgten ihrem Trainer, schließlich war Farkaszinski, in Ungarn geborener Sportlehrer am Wolfsburger Ratsgymnasium, eine anerkannte Respektsperson. Gleich viermal in vier Jahrzehnten (!) trainierte er die „Vertragsliga-Mannschaft“ des VfL, wie es damals hieß – 1959/59, 1966 bis 1975, 1978 und 1983/84.

In Bochum scheiterte er mit seiner forschen Idee. Als das erhoffte Führungstor nicht fallen wollte, ließen noch vor der Pause die Wolfsburger Kräfte nach. „Das waren schon ungleiche Bedingungen“, schildert Eismann, „Ich hatte meine Ausbildung gerade fertig, arbeitete bei VW in der Qualitätssicherung, meine Mannschaftskollegen arbeiteten alle, wir haben viermal die Woche nach Feierabend trainiert, durften höchstens Mal fürs Training etwas früher Schluss machen.“ Stärke der VfL-Mannschaft war eher die Geschlossenheit. Nach jedem Abschlusstraining gab‘s Skatrunden, Silvester wurde gemeinsam gefeiert, und wenn VfL-Fan „Porno-Willi“ das Team in seine leicht rotlichternde Kellerbar in der Heßlinger Straße (deren Legalität heute nicht mehr ganz einwandfrei zu klären ist) einlud, tat das dem Mannschaftsgeist auch keinen Abbruch. „Wir kamen über die Kameradschaft“, so Eismann, „aber unsere Gegner konnten teilweise schon unter ganz anderen Bedingungen arbeiten.“ Das galt auch für die Bochumer, deren Präsident Ottokar Wüst unbedingt in die Bundesliga wollte, darum vor der Aufstiegsrunde Freistellungen der Spieler von ihren jeweiligen Arbeitgebern erwirkte, um ein Trainingslager zu absolvieren. Zudem hatte er im Jahr zuvor Torjäger Hans Walitza von Schwarz-Weiß Essen nach Bochum gelockt, der in seiner ersten Bochum-Saison gleich 31 Tore schoss und zwei Jahre später sogar von Real Madrid umworben wurde. 
Die Sieger: Offenbach-Präsident Horst-Gregorio Canellas (l.) erlangte in den Jahren nach der Aufstiegsrunde gleich zweimal traurige Berühmtheit. 1974 brachte er mit heimlich angefertigten Tonbandaufzeichnungen den Bundesliga-Bestechungsskandal ins Rollen, 1977 saß er in der von Terroristen entführten und in Mogadischu befreiten Lufthansa-Maschine „Landshut“. Trainer Zlatko „Tschik“ Cajkovski war schon vor 1970 berühmt: Der Kroate hatte den FC Bayern München 1965 als Trainer in die Bundesliga geführt und mit den Münchnern anschließend zweimal den DFB-Pokal und einmal den Europapokal der Pokalsieger gewonnen.
Die Sieger: Offenbach-Präsident Horst-Gregorio Canellas (l.) erlangte in den Jahren nach der Aufstiegsrunde gleich zweimal traurige Berühmtheit. 1974 brachte er mit heimlich angefertigten Tonbandaufzeichnungen den Bundesliga-Bestechungsskandal ins Rollen, 1977 saß er in der von Terroristen entführten und in Mogadischu befreiten Lufthansa-Maschine „Landshut“. Trainer Zlatko „Tschik“ Cajkovski war schon vor 1970 berühmt: Der Kroate hatte den FC Bayern München 1965 als Trainer in die Bundesliga geführt und mit den Münchnern anschließend zweimal den DFB-Pokal und einmal den Europapokal der Pokalsieger gewonnen.
Dem müden VfL Wolfsburg schenkte Walitza zwei Tore ein, für zwei weitere Treffer sorgte Linksaußen und Hobby-Trompeter Hans Grieger, mit dem 0:4 waren die Wolfsburger noch gut bedient, zumal Torjäger Kemmer sich auch noch eine Fußverletzung zuzog, Wolfsburg (das schon zweimal gewechselt hatte) das Spiel zu zehnt beenden musste. „Das war deprimierend“, so Grieger-Gegenspieler Eismann, „und so langsam verloren wir ein bisschen den Glauben...“ An systematische Regeneration war ohnehin kaum zu denken, die meisten Spieler standen am Montag danach erst einmal wieder in den Büros und Werkhallen.

Und jetzt ging es ausgerechnet gegen das Überraschungsteam der Gruppe, Hertha Zehlendorf. Der Berliner Stadtmeister hatte Bochum und Offenbach geschlagen, war vor dem Spiel in Wolfsburg Tabellenführer - und verlor am Elsterweg nach dramatischem Spiel mit 1:3. Ohne den verletzten Kemmer brillierte Kalle Borutta im Sturm, brachte den VfL per Flachschuss und Kopfball 2:0 in Führung, Wolfgang Simon beendete nach dem Gegentreffer die Drangphase der Gäste mit dem Tor zum Endstand. Es war kein Zufall, dass Wolfsburgs erster Sieg in dieser Aufstiegsrunde gegen die Zehlendorfer gelang. Denn die Hertha hatte am Ende eine kuriose Bilanz in der Gruppe – sie verlor alle Auswärtsspiele, gewann dafür aber alle Heimspiele!

„Wir hatten in der Berlin-Liga ja kaum Konkurrenz“, erinnert sich Uwe Kliemann, damals Zehlendorfs Libero und später auch mal Jugend- und Co-Trainer in Wolfsburg. „Das war so, als würde der VfL heute gegen Velstove oder Wendschott spielen. Wir konnten zu den Spielen mit der Straßenbahn fahren, haben gewonnen und sind wieder heim. Wir kannten weder lange Auswärtsfahrten noch spielstarke Gegner.“ 
Funkturm: Zehlendorfs 1,96 Meter großer Libero Uwe Kliemann (links), Spitzname „Funkturm“, gehörte nicht nur wegen seiner Körpergröße zu den herausragenden Spielern der Aufstiegsrunde. Wie sein Teamkollege Wolfgang Sühnholz hatte er bereits einen Bundesliga-Vertrag bei Rot-Weiß Oberhausen in der Tasche - und wurde später bei Eintracht Frankfurt und Hertha BSC zu einem der besten deutschen Verteidiger. Anschließend arbeitete er unter anderem bei Eintracht Braunschweig und dem VfL Wolfsburg als Jugend- und Co-Trainer, überall war er nie um einen guten Spruch verlegen - und ist es bis heute nicht. Auf mögliche Prämien in der Aufstiegsrunde 1970 angesprochen, sagt er trocken: „Verglichen mit den jetzigen Gehältern haben wir nicht für Peanuts gespielt, sondern für Pferdekacke...“
Funkturm: Zehlendorfs 1,96 Meter großer Libero Uwe Kliemann (links), Spitzname „Funkturm“, gehörte nicht nur wegen seiner Körpergröße zu den herausragenden Spielern der Aufstiegsrunde. Wie sein Teamkollege Wolfgang Sühnholz hatte er bereits einen Bundesliga-Vertrag bei Rot-Weiß Oberhausen in der Tasche - und wurde später bei Eintracht Frankfurt und Hertha BSC zu einem der besten deutschen Verteidiger. Anschließend arbeitete er unter anderem bei Eintracht Braunschweig und dem VfL Wolfsburg als Jugend- und Co-Trainer, überall war er nie um einen guten Spruch verlegen - und ist es bis heute nicht. Auf mögliche Prämien in der Aufstiegsrunde 1970 angesprochen, sagt er trocken: „Verglichen mit den jetzigen Gehältern haben wir nicht für Peanuts gespielt, sondern für Pferdekacke...“
Auch diese sehr spezielle Zehlendorf-Bilanz sorgte dafür, dass es nach fünf von acht Spieltagen in der Tabelle eng blieb. Wolfsburg war mit 3:5 Punkten zwar Letzter (für einen Sieg gab es zwei Punkte), Spitzenreiter Offenbach hatte aber auch nur zwei Punkte mehr - und musste am Samstag darauf in Wolfsburg ran. Dass bei regnerischem Wetter nur 6000 Zuschauer zu dieser Partie kamen (aus Offenbach reisten lediglich rund 50 statt der erwarteten 1500 Fans an), sorgte beim VfL für Enttäuschung. Es zeige sich, so schrieb die WAZ damals, „dass die Aufstiegsspiele doch stark im Schatten der Weltmeisterschaft stehen“, die Spieler jedenfalls hätten „die Anteilnahme der Anhänger stark vermisst“. Auf dem Platz setzten sich die erfahreneren Offenbacher mit 3:1 durch, der zweite Kickers-Treffer unmittelbar nach Fredi Rotermunds Kopfball zum zwischenzeitlichen 1:1 hatte den Wolfsburgern den Zahn gezogen, am Ende fehlten – wieder einmal – die Kräfte. Dafür gab es Anerkennung von Offenbachs Trainer Cajkovski: „Meine Mannschaft trainiert unter Profibedingungen, die des VfL unter denen von Amateuren“, den Wolfsburgern gebühre dafür „Anerkennung für ihre Leistung in den beiden Spielen gegen uns“.

Am Mittwoch nach der Offenbach-Niederlage, dem Tag des Jahrhundertspiels zwischen Deutschland und Italien bei der WM, war der VfL spielfrei, dafür waren die Fußballer zu einem Empfang der Stadt eingeladen, auf dem Bürgermeister Hugo Bork scharfe Kritik an der „schwachen Resonanz unserer Bürger“ bei den Heimspielen der Aufstiegsrunde übte. Angesichts der Leistungen der Kicker seien die Zuschauerzahlen „bedauerlich und kläglich“ und er vermutete, dass es den Menschen wohl reiche, „tolle Torszenen auf der Mattscheibe“ zu verfolgen.

Drei Tage später war der Zuspruch auch in Berlin eher kläglich, zum Spiel der Zehlendorfer (die noch Aufstiegschancen hatten) gegen Wolfsburg verloren sich gerade einmal 2500 Menschen im riesigen Olympiastadion. „Mehr waren es selten“, so Kliemann, „und wenn es regnete und sich die Leute im Umlauf unter dem Oberrang unterstellten, war gar keiner mehr da.“ Die Berliner siegten 5:1, einen Tag später wurde Brasilien Weltmeister.

Der 24. Juni brachte dann die Entscheidung. Ein Schuss von Wolf-Rüdiger Krause in den Winkel sorgte für Wolfsburgs 1:0-Überraschungssieg gegen Bochum, der Westmeister musste sich damit trösten, dass ihm auch ein Sieg nicht geholfen hätte. Denn Offenbach sicherte sich zur gleichen Zeit durch ein 4:1 gegen Pirmasens den Aufstieg in die Bundesliga.

Durch den Sieg gegen Bochum erhielt sich der VfL Wolfsburg die Chance, die Aufstiegsrunde nicht als Gruppenletzter zu beenden. „Das war schon unser Ziel“, erzählt Eismann, „allerdings wollten wir unsere letzte Auswärtsfahrt auch genießen“. Und so erschien ein Teil der Spieler am Vorabend der Partie gegen Pirmasens beim Abendessen im Mannschaftsquartier in Saarbrücken mit Hemd und Krawatte, um anschließend mal ein wenig das Nachtleben zu erkunden. „Das muss Farka eigentlich bemerkt haben, aber er hat nichts gesagt...“ Die Partie vor nur 200 Zuschauern wurde dann spektakulär, Kapitän Thun traf kurz vor Schluss zum 4:4-Endstand und sorgte damit dafür, dass Pirmasens in der Tabelle hinter dem VfL blieb. „Die Aufstiegsrunde war gerade für mich als jungen Spieler vor allem eine tolle Erfahrung“, so Eismann, „enttäuscht war am Ende eigentlich keiner“. Höchstens vielleicht Zwergziegenbock „Willi“, der nach der Aufstiegsrunde schon wieder ausgedient hatte.

Vier Jahre später gab es die Aufstiegsrunde nicht mehr, die zweigleisige 2. Liga wurde eingeführt, Eismann und Co. waren dabei. Der Bundesliga aber kam Wolfsburg ein Vierteljahrhundert lang nicht mehr so nah wie in diesem Sommer 1970. Von Andreas Pahlmann 

Aufstiegsrunde 1970

Gruppe I
27. Mai 1970
SV Alsenborn – Arminia Bielefeld 0:1
Karlsruher SC – TeBe Berlin 1:0
30. Mai 1970
VfL Osnabrück – Karlsruher SC 2:1
TeBe Berlin – SV Alsenborn 0:1
3. Juni 1970
Arminia Bielefeld – TeBe Berlin 1:1
SV Alsenborn – VfL Osnabrück 3:2
6. Juni 1970
VfL Osnabrück – Arminia Bielefeld 0:0
Karlsruher SC – SV Alsenborn 2:0
10. Juni 1970
Arminia Bielefeld – Karlsruher SC 3:1
TeBe Berlin – VfL Osnabrück 1:1
13. Juni 1970
Karlsruher SC – VfL Osnabrück 6:0
SV Alsenborn – TeBe Berlin 5:1
17. Juni 1970
Arminia Bielefeld – SV Alsenborn 3:0
TeBe Berlin – Karlsruher SC 1:2
20. Juni 1970
Karlsruher SC – Arminia Bielefeld 1:0
VfL Osnabrück – TeBe Berlin 1:3
24. Juni 1970
Arminia Bielefeld – VfL Osnabrück 3:0
SV Alsenborn – Karlsruher SC 2:3
27. Juni 1970
TeBe Berlin – Arminia Bielefeld 0:2
VfL Osnabrück – SV Alsenborn 0:1

1. Arminia Bielefeld 8 13:3 12:4
2. Karlsruher SC 8 16:8 11:5
3. SV Alsenborn 8 12:12 8:8
4. TeBe Berlin 8 7:13 5:11
5. VfL Osnabrück 8 6:18 4:12

Gruppe II
27. Mai 1970
Hertha Zehlendorf – Kickers Offenbach 2:1
VfL Bochum – FK Pirmasens 3:1
30. Mai 1970
Kickers Offenbach – VfL Wolfsburg 2:1
FK Pirmasens – Hertha Zehlendorf 1:0
3. Juni 1970
Hertha Zehlendorf – VfL Bochum 2:0
VfL Wolfsburg – FK Pirmasens 2:2
6. Juni 1970
FK Pirmasens – Kickers Offenbach 1:1
VfL Bochum – VfL Wolfsburg 4:0
10. Juni 1970
Kickers Offenbach – VfL Bochum 2:1
VfL Wolfsburg – Hertha Zehlendorf 3:1
13. Juni 1970
VfL Wolfsburg – Kickers Offenbach 1:3
Hertha Zehlendorf – FK Pirmasens 7:2
17. Juni 1970
Kickers Offenbach – Hertha Zehlendorf 3:0
FK Pirmasens – VfL Bochum 0:2
20. Juni 1970
VfL Bochum – Kickers Offenbach 1:1
Hertha Zehlendorf – VfL Wolfsburg 5:1
24. Juni 1970
Kickers Offenbach – FK Pirmasens 4:1
VfL Wolfsburg – VfL Bochum 1:0
27. Juni 1970
VfL Bochum – Hertha Zehlendorf 3:0
FK Pirmasens – VfL Wolfsburg 4:4

1. Kickers Offenbach 8 17:8 12:4
2. VfL Bochum 8 14:7 9:7
3. Hertha Zehlendorf 8 17:14 8:8
4. VfL Wolfsburg 8 13:21 6:10
5. FK Pirmasens 8 12:23 5:11
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