Euphoriedefizit und Fragezeichen
Der VfL vor der Saison
Mit der rechten Innenseite, technisch äußerst sauber, schloss Admir Mehmedi den Angriff ab, Timon Weiner im Magdeburger Tor hatte keine Chance. Es war der letzte Treffer im letzten Test vor der Saison, der VfL Wolfsburg gewann beim Drittligisten mit 4:1 und zeigte, dass er durchaus Torgefahr entwickeln kann. Schon eine Woche zuvor, beim 3:0-Sieg im Freundschaftsspiel beim 1. FC Köln, war offensiv wieder Leben drin. Sieben Tore in zwei Spielen. Ein Stimmungsaufheller. „Die Richtung stimmt“, sagte Trainer Oliver Glasner.
Das war wichtig, denn die gefühlte Lage rund um den VfL Wolfsburg schien vor dem Start seiner 24. Bundesliga-Saison schlechter zu sein als die tatsächliche Situation. Schon im vergangenen Herbst hatte Glasner ein Euphoriedefizit ausgemacht („Wir dürfen nicht zu kritisch sein“), beim 4:1-Sieg auf Schalke im Juni war sein „Freut euch doch mal“ mangels Fangeräuschkulisse hörbar, und am Ende der Spielzeit stellte auch Manager Jörg Schmadtke fest, dass er während der vergangenen Saison „keine Euphorie rund um den VfL verspürt“ habe.
Das war wichtig, denn die gefühlte Lage rund um den VfL Wolfsburg schien vor dem Start seiner 24. Bundesliga-Saison schlechter zu sein als die tatsächliche Situation. Schon im vergangenen Herbst hatte Glasner ein Euphoriedefizit ausgemacht („Wir dürfen nicht zu kritisch sein“), beim 4:1-Sieg auf Schalke im Juni war sein „Freut euch doch mal“ mangels Fangeräuschkulisse hörbar, und am Ende der Spielzeit stellte auch Manager Jörg Schmadtke fest, dass er während der vergangenen Saison „keine Euphorie rund um den VfL verspürt“ habe.
Dabei ist die sportliche Bilanz nach den beiden Relegationsjahren 2017 und 2018 durchaus gut. Gleich zweimal in Folge gelang dem VfL der Sprung nach Europa, auch wenn in diesem Jahr der Umweg über die Quali eher als Makel gesehen wird. Und zum dritten Mal in Folge international dabei zu sein, ist ein ebenso realistisches wie spannendes Ziel – denn das hat Wolfsburg noch nie geschafft.
Auf dem Transfermarkt agieren Schmadtke und Sportdirektor Marcel Schäfer mit Umsicht, die ersten beiden Neuverpflichtungen zeigten schon die Richtung an: Der 18-jährige Stürmer Bartosz Bialek (Zaglebie Lubin) und der 20-jährige Verteidiger Maxence Lacroix (FC Sochaux), die für jeweils rund fünf Millionen Euro kamen, sind zwar gemessen an ihrer sportlichen Vita keine Schnäppchen, haben aber das Potenzial für eine ordentliche Wertsteigerung. Eigner VW schätzt derweil das sportlich Mögliche realistisch ein. Für die Champions League, so Volkswagen-Vorstand und VfL-Aufsichtsratschef Frank Witter, müsse man „ganz andere Beträge in die Hand nehmen“ und die stünden nun einmal „nicht zur Verfügung“, schon gar nicht in Zeiten von Corona, Absatzkrise und Kurzarbeit. Und: Die Transfer-Fehler der Vor-Schmadtke-und-Schäfer-Ära haben weiter Auswirkungen, noch immer sind die Gehaltskosten gemessen an der sportlichen Leistungsfähigkeit in der Summe zu hoch. Dafür allerdings hat der aktuelle Kader durchaus spannende Entwicklungsmöglichkeiten, Spielern wie Kevin Mbabu, Xaver Schlager, Paulo Otavio oder Marin Pongracic ist zuzutrauen, dass ihr zweites VfL-Jahr besser wird als das erste. Das nimmt Druck aus den Transferbemühungen. Und es sorgt im Idealfall dafür, dass Spieler sich hier zu Bundesliga-Leistungsträgern entwickeln und damit auch als Wolfsburger wahrgenommen werden – und nicht als zugekaufte Attraktionen zur Erfüllung überehrgeiziger Ansprüche. Dass der Abschied von Robin Knoche unter diesem Aspekt wehtut, ist selbstredend – der VfL hat ohnehin schon zu wenig Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, die es dauerhaft in der Bundesliga geschafft haben. Aber dem Argument, dass sein Verbleib für den Klub einfach zu kostspielig gewesen wäre, kann man sich auch nur schwer entziehen.
Unterm Strich also ist der VfL in diesem Sommer ein sehr vernünftiger Verein. Aber eben auch so unsexy wie der vernünftige Typ, der beim Partyabend nüchtern bleibt, weil er noch fahren muss. Der macht ja auch alles richtig - wird aber auch wenig erleben, wovon er noch in Jahren erzählen kann. Der Trainer wird an dieser Außendarstellung kaum etwas ändern, woraus man ihm keinen Vorwurf machen kann. Oliver Glasner ist ein sachlicher Typ, analytisch, präzise, didaktisch. Er spricht den Kopf der Spieler an, weniger ihr Herz – was dafür sorgt, dass man bei seinen Profis schon mal ein Aufmerksamkeitsdefizit zu beobachten glaubt, wenn der Österreicher auf dem Trainingsplatz erklärt, was er will. In der vergangenen Saison musste er sich von der Idee des 3-4-3-Systems verabschieden, blieb aber auch mit Viererkette bei dem Plan, frühe Balleroberung zum Wesenskern der eigenen Taktik zu machen. Heraus kamen gute Spiele, eine ordentliche Punkte-Ausbeute, aber kein Fußball, der die Menschen von den Sitzen riss, als auf diesen Sitzen noch eng gesessen werden durfte. Dabei sind mit Koen Casteels, Maximilian Arnold oder Wout Weghorst durchaus Spieler mit Star-Appeal im Team, mit Renato Steffen (siehe Seite 14) zudem einer, der gerade dabei ist, sich in diese Rolle reinzuspielen. Wenn man darüber nachdenkt, ist das alles ganz erfreulich. Man muss aber eben darüber nachdenken, um das zu merken.
Unterm Strich also ist der VfL in diesem Sommer ein sehr vernünftiger Verein. Aber eben auch so unsexy wie der vernünftige Typ, der beim Partyabend nüchtern bleibt, weil er noch fahren muss. Der macht ja auch alles richtig - wird aber auch wenig erleben, wovon er noch in Jahren erzählen kann. Der Trainer wird an dieser Außendarstellung kaum etwas ändern, woraus man ihm keinen Vorwurf machen kann. Oliver Glasner ist ein sachlicher Typ, analytisch, präzise, didaktisch. Er spricht den Kopf der Spieler an, weniger ihr Herz – was dafür sorgt, dass man bei seinen Profis schon mal ein Aufmerksamkeitsdefizit zu beobachten glaubt, wenn der Österreicher auf dem Trainingsplatz erklärt, was er will. In der vergangenen Saison musste er sich von der Idee des 3-4-3-Systems verabschieden, blieb aber auch mit Viererkette bei dem Plan, frühe Balleroberung zum Wesenskern der eigenen Taktik zu machen. Heraus kamen gute Spiele, eine ordentliche Punkte-Ausbeute, aber kein Fußball, der die Menschen von den Sitzen riss, als auf diesen Sitzen noch eng gesessen werden durfte. Dabei sind mit Koen Casteels, Maximilian Arnold oder Wout Weghorst durchaus Spieler mit Star-Appeal im Team, mit Renato Steffen (siehe Seite 14) zudem einer, der gerade dabei ist, sich in diese Rolle reinzuspielen. Wenn man darüber nachdenkt, ist das alles ganz erfreulich. Man muss aber eben darüber nachdenken, um das zu merken.
Dass der VfL die Rest-Saison 2019/20 mit einem deprimierenden 0:3 in der Ukraine gegen Schachtar Donezk abwickelte, war sportlich zwar kein Drama, aber eine vergebene Chance in Sachen gefühlter Stimmung. Dann kamen die Testspiele, die schon mangels Zuschauer keine freudvolle Angelegenheit waren und die angesichts des Wortgefechts zwischen Wout Weghorst und Daniel Ginczek sowie der mauen Leistungen gegen Braunschweig (ausgerechnet) und Phoenix Lübeck bei vielen Fans eher Sorgen als Vorfreude weckten. Die mittlerweile branchenüblichen Will-der-vielleicht-weg?-Diskussionen um Weghorst und Josip Brekalo machten es ebenso wenig besser wie die Frage, ob der charismatische und für den Teamspirit ungemein wichtige Josuha Guilavogui weiter einen Stammplatz haben wird, wenn er womöglich mit Arnold und Schlager in einem 4-2-3-1- oder 4-4-2-System um die Mittelfeldplätze konkurriert oder in die Abwehr verschoben wird.
Doch dann fielen die Tore in Köln und Magdeburg, die zwar kein Euphorie-Feuer entfachten, aber doch zumindest einen ordentlichen Hoffnungsfunken. Denn dass das Offensivspiel ansehnlich und effizient war, sei durchaus auch das Ergebnis der Arbeit auf dem Trainingsplatz gewesen, befanden Schmadtke und Glasner, auch wenn es der Manager ein wenig verquer formulierte: „Die Frage ist: Ist es das Resultat unserer Arbeit oder ist es der Schwäche der Gegner geschuldet. Ich würde denken, es ist der Arbeit geschuldet und nicht der Schwäche der Gegner. Aber beantwortet werden solche Dinge erst, wenn die Meisterschaft läuft.“
Eine andere Frage ist: Wie verkraftet der VfL das intensive Startprogramm? Die Quali-Spiele zur Europa League werden in diesem Jahr nicht als Hin- und Rückspiel ausgetragen, ihre Anzahl halbiert sich dadurch von maximal sechs auf maximal drei – aber das sind immerhin drei englische Wochen, die die Konkurrenz nicht hat und die die Terminlage „sehr kompakt“ machen, wie Schmadtke es nennt. Dass es in den ersten drei Saisonmonaten auch noch jeweils eine Länderspiel-Phase gibt, macht die Spiel- und Reisebelastung zu einem noch größeren Thema. VfL-Torwart Casteels etwa ärgerte sich schon im Vorfeld, „weil ich weiß, dass viele Spieler Verletzungen bekommen werden, weil die Regenerationszeit bei null liegt.“ Und eine eventuelle Verletzungspause müsse „man dann schon als eine Art Urlaub nutzen, um mental und körperlich fit zu werden“.
Und wo wir gerade bei Fragezeichen sind: Erst nach den ersten englischen Wochen schließt das Transferfenster, und was da auf diesem Corona-bedingt unruhigen Markt für den VfL in beide Richtungen – Zu- und Abgänge – vielleicht erst kurz vor knapp möglich sein wird, ist unvorhersehbar. Ebenso unvorhersehbar ist, ob späte Transfers und frühe Erfolge in den ersten Saisontagen dann vielleicht doch das Euphoriedefizit weiter beheben.
Klar ist dagegen: Siege sind der schnellste Weg zur guten Laune, vor allem Heimsiege – und das insbesondere, wenn wieder Fans ins Stadion dürfen. In der vergangenen Spielzeit gelangen dem VfL vor der Geisterspiel-Phase ganze vier Heimsiege. Und als Corona dann die Ränge leerte, kam kein einziger mehr dazu. Seltener gewannen im eigenen Stadion nur Absteiger Paderborn und Fast-Absteiger Bremen. Das sei, so Schmadtke, „eigentlich nicht passend für eine Mannschaft, die international spielen will.“ Seine Erklärung: Daheim sei man eher gezwungen, das Spiel selbst zu gestalten, auswärts gehe die Idee mit schnellem Umschaltspiel nach Balleroberungen nun einmal oft besser auf. Aber bei eigenem Ballbesitz „unter Druck Sachen aufl ösen, das ist schwer“, stellte auch Mehmedi nach seinem Treff er in Magdeburg klar. „Diese Präzision, diese Coolness für den vorletzten und letzten Pass, das fehlt uns noch ein bisschen, das müssen wir verbessern.“ Schmadtke formulierte schon am Ende der vergangenen Saison ähnlich: „Von hinten aufzubauen, fiel uns ein bisschen schwerer.“ Und man muss nicht viel Fantasie haben, um das auch als Auftrag an den Trainer zu verstehen. Glasner wird sich daran messen lassen müssen, ob er der Mannschaft mehr als nur eine Idee einimpfen kann, zum Torabschluss zu kommen. Auch davon hängt ab, ob sein zweites Bundesliga-Jahr ein erfolgreiches und damit auch mit Sicherheit ein vollständiges sein wird. Denn Offensivfußball ist attraktiv – und attraktiver Fußball lockert in der Regel Euphoriebremsen.
Genau in diese Richtung schaut auch Schmadtke, wenn er das Ziel für 2020/21 formuliert und von „15 bis 20 Toren mehr“ spricht, die er im Vergleich zur Vorsaison gerne sehen würde. Schnelle Rechnung: 48 Wolfsburger Treff er waren es in der abgelaufenen Spielzeit, 15 mehr wären dann mindestens 63. Und 63 oder mehr Tore schießen seit sieben Jahren fast ausschließlich die Mannschaften, die am Ende in die Champions League einziehen, nur Hoffenheim war 2019 (Neunter mit 70 eigenen Treffern) eine Ausnahme.
Also geht‘s doch um die ganz großen Fleischtöpfe, trotz Euphoriedefizit und vieler Fragezeichen? Eher nicht. Schmadtke sieht seine Tore-Rechnung mehr als Perspektive für die Leistungsentwicklung, nach der man im Sport nun einmal immer strebt. Und der VfL möchte sich zumindest so aufstellen, dass er die ersten vier Plätze in guten Jahren auch mal erreichen kann. „Es bleibt“, so formuliert es VW-Mann Witter, „dabei unser Anspruch, auch ambitioniert zu sein.“ Und „wenn es dabei irgendwann mal wieder in Richtung Champions League geht, freuen wir uns natürlich. Aber zu sagen ,Das muss jetzt unser Ziel sein‘, das machen wir ausdrücklich nicht.“
Das ist gut. Aber ist es womöglich auch ein bisschen langweilig? Wie man‘s nimmt. Dass der VfL in drei aufeinanderfolgenden Jahren in einer Tabellenregion bleibt, gab es zuletzt vor 15 Jahren mit den Rängen acht (2003), neun (2005) und zehn (2004). Zu der Zeit galt der VfL als der Mittelmaß-Klub schlechthin. Danach kam die Aufregung: drei Fast-Abstiege, eine Meisterschaft , ein Pokalsieg, 30-oder-mehr-Millionen-Transfers, Bendtner, zwei Relegationen, zwischendurch ein Heimsieg gegen Real Madrid. Die meisten Fans und alle sportlichen Verantwortungsträger (auch die, die nur kurz da waren) sehnten sich nach Kontinuität und Ruhe. Gelänge jetzt zum dritten Mal der Schritt nach Europa, hätte sich Wolfsburg tatsächlich mal auf einem guten Niveau stabilisiert.
Ob man das sexy findet und ob einem die Euphorie rund um den Klub dabei ausreichend erscheint - das kann man danach ja immer noch klären. Von Andreas Pahlmann
Doch dann fielen die Tore in Köln und Magdeburg, die zwar kein Euphorie-Feuer entfachten, aber doch zumindest einen ordentlichen Hoffnungsfunken. Denn dass das Offensivspiel ansehnlich und effizient war, sei durchaus auch das Ergebnis der Arbeit auf dem Trainingsplatz gewesen, befanden Schmadtke und Glasner, auch wenn es der Manager ein wenig verquer formulierte: „Die Frage ist: Ist es das Resultat unserer Arbeit oder ist es der Schwäche der Gegner geschuldet. Ich würde denken, es ist der Arbeit geschuldet und nicht der Schwäche der Gegner. Aber beantwortet werden solche Dinge erst, wenn die Meisterschaft läuft.“
Eine andere Frage ist: Wie verkraftet der VfL das intensive Startprogramm? Die Quali-Spiele zur Europa League werden in diesem Jahr nicht als Hin- und Rückspiel ausgetragen, ihre Anzahl halbiert sich dadurch von maximal sechs auf maximal drei – aber das sind immerhin drei englische Wochen, die die Konkurrenz nicht hat und die die Terminlage „sehr kompakt“ machen, wie Schmadtke es nennt. Dass es in den ersten drei Saisonmonaten auch noch jeweils eine Länderspiel-Phase gibt, macht die Spiel- und Reisebelastung zu einem noch größeren Thema. VfL-Torwart Casteels etwa ärgerte sich schon im Vorfeld, „weil ich weiß, dass viele Spieler Verletzungen bekommen werden, weil die Regenerationszeit bei null liegt.“ Und eine eventuelle Verletzungspause müsse „man dann schon als eine Art Urlaub nutzen, um mental und körperlich fit zu werden“.
Und wo wir gerade bei Fragezeichen sind: Erst nach den ersten englischen Wochen schließt das Transferfenster, und was da auf diesem Corona-bedingt unruhigen Markt für den VfL in beide Richtungen – Zu- und Abgänge – vielleicht erst kurz vor knapp möglich sein wird, ist unvorhersehbar. Ebenso unvorhersehbar ist, ob späte Transfers und frühe Erfolge in den ersten Saisontagen dann vielleicht doch das Euphoriedefizit weiter beheben.
Klar ist dagegen: Siege sind der schnellste Weg zur guten Laune, vor allem Heimsiege – und das insbesondere, wenn wieder Fans ins Stadion dürfen. In der vergangenen Spielzeit gelangen dem VfL vor der Geisterspiel-Phase ganze vier Heimsiege. Und als Corona dann die Ränge leerte, kam kein einziger mehr dazu. Seltener gewannen im eigenen Stadion nur Absteiger Paderborn und Fast-Absteiger Bremen. Das sei, so Schmadtke, „eigentlich nicht passend für eine Mannschaft, die international spielen will.“ Seine Erklärung: Daheim sei man eher gezwungen, das Spiel selbst zu gestalten, auswärts gehe die Idee mit schnellem Umschaltspiel nach Balleroberungen nun einmal oft besser auf. Aber bei eigenem Ballbesitz „unter Druck Sachen aufl ösen, das ist schwer“, stellte auch Mehmedi nach seinem Treff er in Magdeburg klar. „Diese Präzision, diese Coolness für den vorletzten und letzten Pass, das fehlt uns noch ein bisschen, das müssen wir verbessern.“ Schmadtke formulierte schon am Ende der vergangenen Saison ähnlich: „Von hinten aufzubauen, fiel uns ein bisschen schwerer.“ Und man muss nicht viel Fantasie haben, um das auch als Auftrag an den Trainer zu verstehen. Glasner wird sich daran messen lassen müssen, ob er der Mannschaft mehr als nur eine Idee einimpfen kann, zum Torabschluss zu kommen. Auch davon hängt ab, ob sein zweites Bundesliga-Jahr ein erfolgreiches und damit auch mit Sicherheit ein vollständiges sein wird. Denn Offensivfußball ist attraktiv – und attraktiver Fußball lockert in der Regel Euphoriebremsen.
Genau in diese Richtung schaut auch Schmadtke, wenn er das Ziel für 2020/21 formuliert und von „15 bis 20 Toren mehr“ spricht, die er im Vergleich zur Vorsaison gerne sehen würde. Schnelle Rechnung: 48 Wolfsburger Treff er waren es in der abgelaufenen Spielzeit, 15 mehr wären dann mindestens 63. Und 63 oder mehr Tore schießen seit sieben Jahren fast ausschließlich die Mannschaften, die am Ende in die Champions League einziehen, nur Hoffenheim war 2019 (Neunter mit 70 eigenen Treffern) eine Ausnahme.
Also geht‘s doch um die ganz großen Fleischtöpfe, trotz Euphoriedefizit und vieler Fragezeichen? Eher nicht. Schmadtke sieht seine Tore-Rechnung mehr als Perspektive für die Leistungsentwicklung, nach der man im Sport nun einmal immer strebt. Und der VfL möchte sich zumindest so aufstellen, dass er die ersten vier Plätze in guten Jahren auch mal erreichen kann. „Es bleibt“, so formuliert es VW-Mann Witter, „dabei unser Anspruch, auch ambitioniert zu sein.“ Und „wenn es dabei irgendwann mal wieder in Richtung Champions League geht, freuen wir uns natürlich. Aber zu sagen ,Das muss jetzt unser Ziel sein‘, das machen wir ausdrücklich nicht.“
Das ist gut. Aber ist es womöglich auch ein bisschen langweilig? Wie man‘s nimmt. Dass der VfL in drei aufeinanderfolgenden Jahren in einer Tabellenregion bleibt, gab es zuletzt vor 15 Jahren mit den Rängen acht (2003), neun (2005) und zehn (2004). Zu der Zeit galt der VfL als der Mittelmaß-Klub schlechthin. Danach kam die Aufregung: drei Fast-Abstiege, eine Meisterschaft , ein Pokalsieg, 30-oder-mehr-Millionen-Transfers, Bendtner, zwei Relegationen, zwischendurch ein Heimsieg gegen Real Madrid. Die meisten Fans und alle sportlichen Verantwortungsträger (auch die, die nur kurz da waren) sehnten sich nach Kontinuität und Ruhe. Gelänge jetzt zum dritten Mal der Schritt nach Europa, hätte sich Wolfsburg tatsächlich mal auf einem guten Niveau stabilisiert.
Ob man das sexy findet und ob einem die Euphorie rund um den Klub dabei ausreichend erscheint - das kann man danach ja immer noch klären. Von Andreas Pahlmann