Der Papa des Filmstars Max von der Groeben: Weltklasse-Judo in Wolfsburg

         
Europameister und mehrfacher deutscher Meister: Alexander von der Groeben war in den 80er Jahren einer der besten Judoka in Deutschland – und er startete für den VfL Wolfsburg. Fotos: Imago Images Rust/0035510455 Baumann/09865465 dpa / WAZ-Archiv
Europameister und mehrfacher deutscher Meister: Alexander von der Groeben war in den 80er Jahren einer der besten Judoka in Deutschland – und er startete für den VfL Wolfsburg. Fotos: Imago Images Rust/0035510455 Baumann/09865465 dpa / WAZ-Archiv
Max von der Groeben wurde durch seine Rollen in „Fack ju Göhte“ und „Lindenberg“ zu einem populären deutschen Schauspieler. Sein Vater Alexander war auch alles andere als unbekannt, denn er gehörte zu den Aushängeschildern einer enorm erfolgreichen Wolfsburger Sport-Epoche – der großen Zeit des Judo beim VfL.  

Mitte der 80er kannten ihn in der Sportwelt viele, in der Judo-Welt kannt ihn jeder. Er war der Judo-Graf, Alexander Graf von der Groeben. Europameister, vielfacher deutscher Einzel-Meister, Olympiateilnehmer, vielfacher deutscher Mannschaftsmeister mit dem VfL Wolfsburg. Und den VfL kannte auch fast jeder. Wolfsburg war in den 70ern zu einer absoluten Judo-Hochburg geworden. Von der Groeben ist noch bekannt, der VfL auch. Aber beide weniger durch Judo als einst. Dazu später mehr. Die Spur zur Judo-Hochburg Wolfsburg führt zu Volkswagen, zu einem Versandhaus-König und zu Deutschlands erstem Judo-Olympia-Medaillengewinner.
Von Hannover nach Wolfsburg: Judoka Frank Wieneke.
Von Hannover nach Wolfsburg: Judoka Frank Wieneke.
Wie kam es zur Judo-Hochburg VfL? „Klaus Glahn“, sagt von der Groeben ohne, dass er lange nachdenken muss. „Das hing mit dem Leistungszentrum zusammen und mit Klaus Glahn.“ Frank Wieneke, der erste Olympia-Goldgewinner im Judo für den VfL sagt auch sofort: „Klaus Glahn. Der hat mich nach Wolfsburg geholt.“

Glahn wars. Judo-Legende, inzwischen fast 80, Spitzenjudoka, später Funktionär im Deutschen-Judo-Bund, zwischendurch Aktiver, Trainer und eine Weile Leiter des Leistungszentrums in Wolfsburg. Herr Glahn, wie kam es zur Judo-Hochburg Wolfsburg? „Das“, so erinnert sich der gebürtige Hannoveraner, der in Ehmen heimisch geworden ist, „hing mit den Olympischen Spielen 1972 zusammen. Als die nach Deutschland vergeben waren, hatte der sechsfache Olympia-Medaillengewinner im Dressurreiten und Versandhaus-Chef Josef Neckermann ein Ziel: Deutschland sollte viele Medaillen holen.“ Die 1967 gegründete Deutsche Sporthilfe, deren erster und langjähriger Vorsitzender Neckermann war, reichte dafür allein nicht.
Die von der Groebens: Schauspieler Max, RTL-Moderatorin Ulrike und Ex-Judoka Alexander.
Die von der Groebens: Schauspieler Max, RTL-Moderatorin Ulrike und Ex-Judoka Alexander.
In Wolfsburg überzeugte er VW-Chef Kurt Lotz von der Idee, Stützpunkte zu errichten. Das Leistungszentrum in Wolfsburg sollte entstehen.“ Glahn, 1964 Olympia-Dritter im Judo, war beim PSV Hannover nicht mehr so richtig glücklich – und was da in Wolfsburg passieren sollte, gefiel ihm. Er und einige Hannoveraner Judoka schlossen sich dem VfL an. Über Sportförderstellen bei VW hatten die Athleten eine berufliche Absicherung, einen Teil der Arbeitszeit durften sie zum Training nutzen. Zeitgleich streckte Glahn seine Fühler in Deutschland nach Talenten aus. Und die kamen. Etwa der spätere Liga-Obmann Fred Marhenke, der eine nach ihm benannte Technik (Marhenke-Würger) ins Judo brachte. Die Komosinski-Brüder, von der Groeben, und, und, und.

Frank Wieneke wohnte in Hannover, ganz in der Nähe von Glahn. „Ich war noch nicht volljährig, Klaus hat bei meinen Eltern vorgesprochen, ich fuhr dann regelmäßig, erst mit der Bahn, später mit einem eierschalenfarbenen Käfer nach Wolfsburg. Und manchmal heulend wieder heim“, wie er gesteht. Marhenke erinnert sich: „Frank war als Junger schon ein starker Techniker, doch erst einmal zeigten ihm selbst die Leichtgewichte die Grenzen auf, denn wir Wolfsburger waren stark.“ Wieneke: „Ich konnte das anfangs gar nicht fassen, wie stark die waren. Die fühlten sich an wie eine Betonwand und ich fragte mich, ‚wie soll ich die denn werfen‘? Mit der Zeit fand man Wege.“
Begründete die große Judo-Ära: Klaus Glahn
Begründete die große Judo-Ära: Klaus Glahn
Mit den ersten Erfolgen, dem Bundesliga-Aufstieg, kamen die nächsten Talente. Von der Groeben: „Das zog natürlich an. Du kannst nur gut werden, wenn du im Training gute Gegner hast. Jeder wusste: Die hast du in Wolfsburg.“

Glahn holte 1972 Olympia-Silber. Das erste riesige Ausrufezeichen aus der Abteilung des VfL, dem noch viele folgen sollten. Etliche Sportler aus Reihen des VfL, teils aus anderen Nationen wie der in Wolfsburg seit Jahrzehnten als Gastronom tätige Süheyl Yesilnur, starteten bei Olympia, die Zahl ihrer internationalen Titel ist Legion. Als Team holte der VfL den deutschen Titel zwischen 1972 und 76 fünf Mal in Folge, sechs weitere Titel folgten, der letzte 1990. Den Europa-Cup-Sieg gab es 1979, 1980, 1981. Und hinterher wurde nach Heimkämpfen gefeiert. In der Stadt. Wieneke: „Das war auch etwas, was ich in Wolfsburg sehr genossen habe. Und die Funktionäre, wie Günter Knoblich oder Gustav Sülzle, um zwei zu nennen, waren auch besonders. Funktionäre, aber richtig verwurzelt in der Mannschaft, das war schon außergewöhnlich Oder der koreanische Trainer Ie-Soo Chung. Man hat ihn kaum verstanden, aber ich war immer froh, wenn er am Mattenrand stand.“
Trainingsgruppe 1973: Klaus Glahm (l.) mit der Judomannschaft des VfL Wolfsburg.
Trainingsgruppe 1973: Klaus Glahm (l.) mit der Judomannschaft des VfL Wolfsburg.
Anfang der 90er drehte sich der Wind. VW fuhr sein Engagement in den olympischen Sportarten sukzessive zurück, die Judoka konkurrierten mit dem aufstrebenden Fußball um Sponsoren. Und unterlagen. 1994 wurde die Bundesliga-Mannschaft abgemeldet. Wieneke: „Dieses Aus, hat, ich sage es mal so, weh getan, sehr weh getan.“ Er meint: dass sich VW von den traditionellen Sportarten so abgewandt hat. 

Die Verbundenheit untereinander blieb, viele Sportler treffen sich immer noch regelmäßig. Von der Groeben blieb dem Judo als TV-Kommentator unter anderem für Eurosport und das ZDF treu. Und schauspielert auch. In kleinen Rollen im TV. Und auf der Theaterbühne. Den VfL kennt man inzwischen hauptsächlich durch Fußball. Und den Judo-Grafen seit dem Karriere-Ende vor allem – das sagt er mit rheinischem Humor ganz locker: „Erst als ,der Mann von...’ und jetzt noch als ,der Vater von...“ Er meint: Als Mann von Ulrike von der Groeben, die seit Jahrzehnten bei RTL aktuell die Sportnachrichten präsentiert. Und als Vater von Max von der Groeben, dem „Danger“ aus dem Kinohit „Fack ju Göhte“. Damit kann der Vater gut leben. „Die beiden machen, was ich damals vielleicht auch schon gern gemacht hätte.“ Doch er machte erst einmal Judo. In der Hochburg. „Wir waren eine Gruppe von Individualisten, von Egoisten, die aber unglaublich mannschaftsdienlich waren“, erinnert sich Wieneke. Es klingt liebevoll. Text: Jürgen Braun

Rekordmeister VfL Wolfsburg

Elf deutsche Mannschaftsmeisterschaften fuhren die Wolfsburger ein: 1972, 1973, 1974, 1975, 1976, 1978, 1979, 1986, 1987, 1989, und 1990. Damit war der VfL-Rekordmeister, ehe er 2006 vom TSV abgelöst wurde. Die Niederbayern haben mittlerweile sogar 21 Titel gesammelt und sind amtierender Meister. 1979, 1980 und 1981 gewann der VfL Wolfsburg auch den Europa-Cup, eine Art Champions League des europäischen Judosports.
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