Die Meister mit der schwarzen Asche im Knie
Als der VfL Wolfsburg 1963 deutscher Meister im Feldhandball wurde, waren 30.000 Menschen im Wuppertaler Zoo-Stadion dabei, das erfolgreiche Team wurde daheim von 2500 Fans in Empfang genommen. Ein Jahrzehnt später war Handball als Freiluft-Sportart quasi verschwunden.
Als Wolfsburg seinen ersten großen deutschen Meistertitel in einer Mannschaftssportart feierte und eine ganze Stadt auf den Beinen war, um ihre Helden zu sehen, da war Felix Magath gerade zehn Jahre alt, Grafite und Edin Dzeko längst nicht geboren. Bevor dieses Fußball-Trio mit dem VfL 2009 mit der deutschen Meisterschaft Geschichte schrieb, hatten dies Hein Büker, Paul Schwope oder Peter Baronsky längst getan. Im Feldhandball. Einer Sportart, die ausgestorben ist, doch deren Wolfsburger Heldentaten noch bis in die Jetzt-Zeit reichen.
Als Wolfsburg seinen ersten großen deutschen Meistertitel in einer Mannschaftssportart feierte und eine ganze Stadt auf den Beinen war, um ihre Helden zu sehen, da war Felix Magath gerade zehn Jahre alt, Grafite und Edin Dzeko längst nicht geboren. Bevor dieses Fußball-Trio mit dem VfL 2009 mit der deutschen Meisterschaft Geschichte schrieb, hatten dies Hein Büker, Paul Schwope oder Peter Baronsky längst getan. Im Feldhandball. Einer Sportart, die ausgestorben ist, doch deren Wolfsburger Heldentaten noch bis in die Jetzt-Zeit reichen.
Handball befreit von der engen Halle an der frischen Luft. In Corona-Zeiten klingt das nach einer echten Alternative. Allerdings nicht bei den Zuschauerzahlen Mitte des 20. Jahrhunderts, als die Hallenvariante lediglich eine Randerscheinung darstellte. 30.000 säumten am 27. Oktober 1963 die Ränge im Wuppertaler Zoo-Stadion, als die VW-Stadt ihren ersten großen sportlichen Triumph erlebte, der VfL deutscher Meister mit einem 9:6 (4:5) gegen Solingen 98 im Feldhandball wurde.
Die Helden von damals waren kernige Typen, die Sportart hart und rustikal. Gespielt wurde auf einem Fußballfeld. Elf gegen Elf, der Wurfkreis 13 Meter vom handelsüblichen Fußballtor entfernt. Ein laufintensiver Sport. Kam der Regen, wurde es noch kraftraubender. Im VfL-Stadion – auf dem guten Rasen – „wurden nur Punktspiele ausgetragen“. Baronsky scherzte bei der Ehrung im Rathaus, als sich der Titel zum fünfzigsten Mal jährte: „In manchem Knie ist heute noch schwarze Asche.“
Die Helden von damals waren kernige Typen, die Sportart hart und rustikal. Gespielt wurde auf einem Fußballfeld. Elf gegen Elf, der Wurfkreis 13 Meter vom handelsüblichen Fußballtor entfernt. Ein laufintensiver Sport. Kam der Regen, wurde es noch kraftraubender. Im VfL-Stadion – auf dem guten Rasen – „wurden nur Punktspiele ausgetragen“. Baronsky scherzte bei der Ehrung im Rathaus, als sich der Titel zum fünfzigsten Mal jährte: „In manchem Knie ist heute noch schwarze Asche.“
1963, eine Zeit, in der man noch nach Groschen für die Telefonzelle in der Hosentasche suchte, flatterten 23 Telegramme kurz nach dem Titelgewinn bei VfL-Spartenleiter Otto Gajewski auf den Tisch. Unter anderem gratulierten der DHB-Präsident Hermann Gösmann und die Besatzung des Minensuchboots „Wolfsburg“. Auf Nummer sicher war Ludwig Erhard gegangen, der elf Tage zuvor zum Bundeskanzler gewählt wurde: „Ich hoffe, der Bessere werde gewinnen.“ Diesen Satz telegrafierte er beiden Endspielteilnehmern am Finaltag.
Am Tag nach dem Titel-Gewinn wurden die Handball-Helden von 2500 begeisterten Fans in Wolfsburg empfangen. Walter Hansch, Schwope und Co. stiegen ins legendäre Bähnle, wurden in die Innenstadt gefahren. „Ein toller Empfang“, erinnerte sich Hansch später.
Zunehmend weniger Menschen erinnern sich heute noch an diesen besonderen Tag, und auch nicht mehr so viele an die ganze Sportart. Die Gründe: In Skandinavien, wo viele große Handball-Nationen beheimatet sind, verlief die Entwicklung des Feldhandballs schon immer schleppend. Die Saison war aufgrund des Klimas kurz, gespielt wurde lieber in der Halle. Das Feld wurde angepasst, der Sport dadurch schneller und abwechslungsreicher. 1963, im Jahr des VfL-Triumphs, fehlten die Skandinavier bereits bei der WM. Die letzte wurde 1966 ausgetragen.
Am Tag nach dem Titel-Gewinn wurden die Handball-Helden von 2500 begeisterten Fans in Wolfsburg empfangen. Walter Hansch, Schwope und Co. stiegen ins legendäre Bähnle, wurden in die Innenstadt gefahren. „Ein toller Empfang“, erinnerte sich Hansch später.
Zunehmend weniger Menschen erinnern sich heute noch an diesen besonderen Tag, und auch nicht mehr so viele an die ganze Sportart. Die Gründe: In Skandinavien, wo viele große Handball-Nationen beheimatet sind, verlief die Entwicklung des Feldhandballs schon immer schleppend. Die Saison war aufgrund des Klimas kurz, gespielt wurde lieber in der Halle. Das Feld wurde angepasst, der Sport dadurch schneller und abwechslungsreicher. 1963, im Jahr des VfL-Triumphs, fehlten die Skandinavier bereits bei der WM. Die letzte wurde 1966 ausgetragen.
Der Ausbau der Hallen durch die Kommunen zu Beginn der 70er-Jahre befeuerte dann auch das Verschwinden des Feldhandballs in Deutschland. Als die Indoor-Variante 1972 olympisch wurde, war endgültig klar, dass die Zukunft in der Halle liegt. Deutsche Meister auf dem Rasen wurden noch bis 1975 ausgespielt, danach die Sportart Feldhandball national für beendet erklärt.
Wolfsburgs Helden von 1963 trafen sich später noch regelmäßig privat, aber auch bei Ehrungen. Als Deutschland 2007 durch ein 29:24 gegen Polen Handball-Weltmeister wurde, saßen die Wolfsburger Schwope und Baronsky, 1959 selbst Feldhandball-Weltmeister, als Ehrengäste unter den 20.000 Zuschauern in Köln – 10.000 weniger als bei ihrem DM-Finale von Solingen, aber eben in einer riesigen Halle. Zu Gast war beispielsweise Schwope zu dieser Zeit auch bei den VfL-Handballerinnen, erlebte Spiele bis hinauf in die 2. Liga in der HLA.
Wolfsburgs Helden von 1963 trafen sich später noch regelmäßig privat, aber auch bei Ehrungen. Als Deutschland 2007 durch ein 29:24 gegen Polen Handball-Weltmeister wurde, saßen die Wolfsburger Schwope und Baronsky, 1959 selbst Feldhandball-Weltmeister, als Ehrengäste unter den 20.000 Zuschauern in Köln – 10.000 weniger als bei ihrem DM-Finale von Solingen, aber eben in einer riesigen Halle. Zu Gast war beispielsweise Schwope zu dieser Zeit auch bei den VfL-Handballerinnen, erlebte Spiele bis hinauf in die 2. Liga in der HLA.
Doch die Zeit bleibt nicht stehen, der Kreis der noch lebenden Helden ist kleiner geworden. Ihre Sportart ist ausgestorben – und fast wäre auch der VfL, der nicht nur deutscher Meister auf dem Feld, sondern 1961 auch deutscher Vize-Meister in der Halle war, komplett von der Handball-Landkarte verschwunden. 2013 waren Wolfsburgs Handballer führungslos, die Aufgabe der Abteilung drohte ausgerechnet dann, als sich der Titel zum 50. Mal jährte. Doch das Aus wurde im letzten Moment abgewendet.
Heute, 57 Jahre nach dem Titelgewinn, ist Jens Wöhner Spartenleiter beim VfL. Er, Jahrgang 1969, ist selbst Teil einer großen Wolfsburger Handball-Familie, kennt den Triumph noch aus Erzählungen und Zeitungsartikeln. „Hut ab, dass sie die Meisterschaft geholt haben. Es waren glorreiche Zeiten.“ Wie sich Feldhandball anfühlt, weiß Wöhner aber auch aus eigener Erfahrung. Als er ein Kind war, hat er zugeschaut, wenn sein Vater Jürgen und seine Onkel auf Traditionsturnieren noch gemeinsam mit Meister Schwope aufgelaufen sind. Er selbst hat später mal mitgespielt, weiß um den kraftraubenden Sport. Deshalb sagt er: „Sie waren damals auf dem Feld und in der Halle erfolgreich. Wenn du in solch unterschiedlichen Welten zurechtkommst, musst du ein kompletter Sportler sein.“ Text: Maik Schulze
Heute, 57 Jahre nach dem Titelgewinn, ist Jens Wöhner Spartenleiter beim VfL. Er, Jahrgang 1969, ist selbst Teil einer großen Wolfsburger Handball-Familie, kennt den Triumph noch aus Erzählungen und Zeitungsartikeln. „Hut ab, dass sie die Meisterschaft geholt haben. Es waren glorreiche Zeiten.“ Wie sich Feldhandball anfühlt, weiß Wöhner aber auch aus eigener Erfahrung. Als er ein Kind war, hat er zugeschaut, wenn sein Vater Jürgen und seine Onkel auf Traditionsturnieren noch gemeinsam mit Meister Schwope aufgelaufen sind. Er selbst hat später mal mitgespielt, weiß um den kraftraubenden Sport. Deshalb sagt er: „Sie waren damals auf dem Feld und in der Halle erfolgreich. Wenn du in solch unterschiedlichen Welten zurechtkommst, musst du ein kompletter Sportler sein.“ Text: Maik Schulze
Die Feldhandball-Meister
Als Niedersachsenmeister gewann der VfL 1963 auch die norddeutsche Feldhandball-Meisterschaft und besiegte im DM-Halbfinale Favorit Grün-Weiß Dankersen im Hin- und Rückspiel. Das Endspiel fand am Sonntag, 27. Oktober, bei neblig-feuchtem Wetter in Solingen statt. Die VfL-Aufstellung: Knipphals; Schwope, Bielfeldt; Trigo-Teixeira (3 Tore), Müller, M. Fiebich; Baronsky (1), Brüheim, Nolte, Hansch (3), Lange (2). Eine Elf, die bis dahin sowohl im Feld- als auch im Hallenhandball überzeugt hatte und im Norden fast bekannter war als der THW Kiel.