Arnulf und die starken Männer
Was heute fast keiner mehr weiß: Die Gewichtheber des VfL Wolfsburg gehörten einmal zu den erfolgreichsten in ganz Deutschland. Sie waren Wettbewerbstypen, auch wenn es darum ging, die Cola-Dose in den Papierkorb zu werfen. Das ist lange her – aber mittlerweile kündigt sich eine Renaissance an.
Deutsche Meisterschaften als Mannschaft sowie im Einzel, dazu WM- und EM-Titel, Deutsche-Rekorde – und Olympia-Teilnehmer stellte der VfL Wolfsburg im Gewichtheben sogar auch. Nur noch die älteren Wolfsburger erinnern sich daran, dass diese Schwerathletik-Sparte des VfL bundesweit mal das Maß aller Dinge war – diese Zeiten reichen bis in die 70er Jahre zurück.
Deutsche Meisterschaften als Mannschaft sowie im Einzel, dazu WM- und EM-Titel, Deutsche-Rekorde – und Olympia-Teilnehmer stellte der VfL Wolfsburg im Gewichtheben sogar auch. Nur noch die älteren Wolfsburger erinnern sich daran, dass diese Schwerathletik-Sparte des VfL bundesweit mal das Maß aller Dinge war – diese Zeiten reichen bis in die 70er Jahre zurück.
Der Aufstieg der VfL-Gewichtheber ging aber schon 1954 los, „Horst Seeger hat dafür den Grundstein gelegt“, sagt Uwe Zaretzke, der heutige Abteilungsleiter, der das Amt seit der Saison 2004/05 bekleidet, seit 1973 im Verein ist und 1980 zu den Gewichthebern kam. „Seeger hat es geschafft, Günter Wu zum VfL zu holen. Er war hier der absolute Erfolgstrainer.“ Und dazu selbst ein erstklassiger Heber, so Zaretzke: „Wu hat für Taiwan, wo sein Vater herkommt, an den Olympischen Spielen teilgenommen.“ Dazu hat Seeger die Mannschaft so verstärkt, dass sie es über die Landesliga in den 60er Jahren bis in die Bundesliga geschafft hat. Ab Mitte der 70er waren die Gewichtheber eine der erfolgreichsten VfL-Sparten, wurden alleine bis in die 80er hinein neunmal deutscher Mannschaftsmeister. Doch zu dem Zeitpunkt (ab 1971) hatte schon längst ein anderer die Sparte übernommen: Arnulf Brückner. Er hatte 30 Jahre lang das Sagen – und sorgte für die größten Erfolge. „Arnulf war prägend für die VfL-Gewichtheber. Als er 2004 verstarb, verlor der Gewichtheber- Sport seinen größten Fan“, erinnert sich Zaretzke.
Denn Brückner kümmerte sich, „wir waren alle seine Jungs“, sagt der heutige Abteilungsleiter über seinen Vorgänger. „Arnulf hat viel Geld und Zeit in seine Gewichtheber gesteckt.“ So wie alle olympischen Sportarten profitierten auch die Gewichtheber ab Ende der 70er Jahre von der Sportförderung bei VW. Zaretzke: „Die temporäre Arbeitsfreistellung für das Training war für uns Sport-Verrückte ein Segen und in der Bundesrepublik nur sehr selten zu finden.“
1977 wechselt zudem Jürgen Negwer zum VfL. Ein Ausnahme-Athlet und -Talent: „Mit 13 ist er in der 52 kg- Klasse in der A-Jugend mit 185 kg im Dreikampf deutscher Meister geworden“, sagt Zaretzke. „Negwer hat dem Team viel Qualität verliehen“ – und wäre auch zu den Olympischen Spielen nach Moskau gefahren, durfte dort wegen des Boykotts der West-Länder aber nicht antreten. „Er war in Top-Form, hatte sehr gute Chancen, mindestens Platz drei zu erreichen“, ist sich Zaretzke sicher.
1977 wechselt zudem Jürgen Negwer zum VfL. Ein Ausnahme-Athlet und -Talent: „Mit 13 ist er in der 52 kg- Klasse in der A-Jugend mit 185 kg im Dreikampf deutscher Meister geworden“, sagt Zaretzke. „Negwer hat dem Team viel Qualität verliehen“ – und wäre auch zu den Olympischen Spielen nach Moskau gefahren, durfte dort wegen des Boykotts der West-Länder aber nicht antreten. „Er war in Top-Form, hatte sehr gute Chancen, mindestens Platz drei zu erreichen“, ist sich Zaretzke sicher.
Auch in den folgenden Jahren (80er bis Anfang der 90er) war der VfL erfolgreich, hatte drei Teams in den drei höchsten deutschen Ligen – und alle sicherten sich Titel. Der heutige Abteilungsleiter erinnert sich noch gut an die Zeit, war selbst Teil der VfL-Mannschaft. „Das war schon eine verrückte Zeit, Wolfsburg war von 1982 bis 1993 zusammen mit Mutterstadt die Hochburg im Gewichtheben. Es gab einen großen Zulauf, die Abteilung hatte damals 650 Mitglieder.“
Aber warum war der VfL damals so erfolgreich? „Es gab einen irren Konkurrenzkampf zwischen allen Athleten, es gab die Regelung: Wer am meisten heben kann, startet auch im höheren Team“, sagt Zaretzke und fährt mit einem Schmunzeln fort: „Wir haben aus allem einen Wettkampf gemacht: Wer bei Autofahrten zuerst am Treffpunkt ist, wer die Cola-Dose durch den Trainingsraum in den Mülleimer werfen kann, wer als Erstes am Büfett ist, und, und, und.“
Das Miteinander sei aber trotzdem kollegial und immer freundschaftlich gewesen, so Zaretzke: „Wir waren eine Clique auch mit Sportlern aus anderen Abteilungen. Wir puschten uns gegenseitig.“ Und deshalb – und auch weil die Kombination von VW-Job und Freistellung fürs Training attraktiv war – haben einige Athleten gute Wechsel-Angebote von anderen Vereinen abgelehnt.
Aber warum war der VfL damals so erfolgreich? „Es gab einen irren Konkurrenzkampf zwischen allen Athleten, es gab die Regelung: Wer am meisten heben kann, startet auch im höheren Team“, sagt Zaretzke und fährt mit einem Schmunzeln fort: „Wir haben aus allem einen Wettkampf gemacht: Wer bei Autofahrten zuerst am Treffpunkt ist, wer die Cola-Dose durch den Trainingsraum in den Mülleimer werfen kann, wer als Erstes am Büfett ist, und, und, und.“
Das Miteinander sei aber trotzdem kollegial und immer freundschaftlich gewesen, so Zaretzke: „Wir waren eine Clique auch mit Sportlern aus anderen Abteilungen. Wir puschten uns gegenseitig.“ Und deshalb – und auch weil die Kombination von VW-Job und Freistellung fürs Training attraktiv war – haben einige Athleten gute Wechsel-Angebote von anderen Vereinen abgelehnt.
Doch Mitte der 90er war der Höhenflug der VfL-Gewichtheber dann so langsam vorbei, Wu hörte zu dem Zeitpunkt als Trainer auf, Brückner übergab die Abteilungsleitung an Günther Ohnesorge, Mitte der 90er Jahre übernahm dann Zaretzke von Michael Neiße. „Jürgen Negwer und Bernd Ischt haben damals gesagt: ‚Wenn das nicht einer von der alten Garde macht, hören wir auf‘“, erinnert sich Zaretzke, der das Amt auch deshalb übernahm.
Nur wenige Jahre später meldete der VfL auch das Bundesliga-Team ab. „Wir waren nur noch im Mittelfeld der 2. Bundesliga unterwegs und mussten die Heber vor der Saison immer wieder aufs Neue überzeugen, dass sie überhaupt weitermachen. Weiterhin musste für eine Saison rund 10.000 bis 15.000 Euro aufgebracht werden. Dabei haben wir uns förmlich aufgerieben“, erinnert sich Zaretzke. „Dann haben wir uns gefragt: ‚Für wen machen wir das eigentlich noch?‘“
Die erfolgreiche Zeit war vorbei, die Gründe dafür sind laut Zeretzke vielschichtig. „Zum einen hat VW den Fokus in Sachen Sportförderung verändert“, sagt der Abteilungsleiter. „Außerdem ging es für die klassischen Sportarten wie Gewichtheben auch allgemein bergab. Mit dem PC und Spielekonsolen kamen ab den 90ern weitere Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche dazu, aus den USA schwappten Trendsportarten wie beispielsweise Skateboarden zu uns rüber.“ In ganz Norddeutschland sind viele Gewichtheber-Standorte heute nicht mehr da.
Doch beim VfL gibt es mittlerweile eine Renaissance im Gewichtheben. „Wir haben wieder rund 100 Mitglieder in der Sparte. Als ich übernommen habe, waren es 50 bis 60“, sagt Zaretzke; dazu gibt es seit 2019 wieder ein Team aus Eigengewächsen in der Nordliga. Und: Giuseppe Palermo löste jüngst Quali-Tickets für DM, EM und WM – doch Corona stoppte seine Teilnahme. Zaretzke freut‘s trotzdem: „Das hat’s ber 20 Jahre nicht beim VfL gegeben.“ Text: Benno Seelhöfer
Nur wenige Jahre später meldete der VfL auch das Bundesliga-Team ab. „Wir waren nur noch im Mittelfeld der 2. Bundesliga unterwegs und mussten die Heber vor der Saison immer wieder aufs Neue überzeugen, dass sie überhaupt weitermachen. Weiterhin musste für eine Saison rund 10.000 bis 15.000 Euro aufgebracht werden. Dabei haben wir uns förmlich aufgerieben“, erinnert sich Zaretzke. „Dann haben wir uns gefragt: ‚Für wen machen wir das eigentlich noch?‘“
Die erfolgreiche Zeit war vorbei, die Gründe dafür sind laut Zeretzke vielschichtig. „Zum einen hat VW den Fokus in Sachen Sportförderung verändert“, sagt der Abteilungsleiter. „Außerdem ging es für die klassischen Sportarten wie Gewichtheben auch allgemein bergab. Mit dem PC und Spielekonsolen kamen ab den 90ern weitere Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche dazu, aus den USA schwappten Trendsportarten wie beispielsweise Skateboarden zu uns rüber.“ In ganz Norddeutschland sind viele Gewichtheber-Standorte heute nicht mehr da.
Doch beim VfL gibt es mittlerweile eine Renaissance im Gewichtheben. „Wir haben wieder rund 100 Mitglieder in der Sparte. Als ich übernommen habe, waren es 50 bis 60“, sagt Zaretzke; dazu gibt es seit 2019 wieder ein Team aus Eigengewächsen in der Nordliga. Und: Giuseppe Palermo löste jüngst Quali-Tickets für DM, EM und WM – doch Corona stoppte seine Teilnahme. Zaretzke freut‘s trotzdem: „Das hat’s ber 20 Jahre nicht beim VfL gegeben.“ Text: Benno Seelhöfer
Frühe Anfänge
1954 ging es für die Gewichtheber beim VfL los – aber schon im Juli 1945 hatte sich eine Gewichtheber-Gruppe in Wolfsburg gebildet, ihre Mitglieder waren auch bei der Gründung des VfL im September dabei. Was aus ihnen geworden ist, ist unklar – auch der VfL selbst rätselt. In der 2015 erschienen Chronik zum 70. Vereinsgeburtstag heißt es lediglich, dass die Abteilung Gewichtheben 1947 nicht mehr im Briefkopf auftauchte.