Die Bratwurst, der Dicke und viele Helden

20 Jahre, 20 Geschichten: Die AZ/WAZ-Serie zum Bundesliga-Jubiläum des VfL (1): Die Stars

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Zwei VfL-Stars ganz verschiedener Art: Roy Präger (l.) und Stefan Effenberg.
Ihr erstes gemeinsames Training ist ein Waldlauf. Gernot Plassnegger gehört an diesem 19. August 2002 zu ihrer Gruppe, Hans Sarpei ebenso, Co-Trainer Alfons Higl gibt das Tempo vor. Und mittendrin fallen im Wolfsburger Hasselbachtal zwei Blondschöpfe ins Auge. Roy Präger und Stefan Effenberg. Beide Stars des VfL, jeder auf seine Art – auf sehr unterschiedliche Art.

In seinen 20 Bundesliga-Jahren hatte der VfL zwei Arten von Stars. Die, die in Wolfsburg zu Stars wurden. Und die, die schon als Stars kamen. Präger gehört zur ersten Kategorie. Unbekümmerter Jung-Rechtsaußen bei Stahl Brandenburg, von der Wende in den westdeutschen Profifußball gespült, erst Fortuna Köln, dann Wolfsburg. „Chancentod“ riefen sie ihn der 2. Liga, dann startete er durch, stieg mit dem VfL auf, schoss fünf der ersten zehn Wolfsburger Bundesliga-Tore, trat bei „Wettendass..?“ und im ZDF-Sportstudio auf. Der erste Bundesliga-Star des VfL.
 

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Wolfsburgs erster Bundesliga-Star: Roy Präger kehrte nach einem Gastspiel beim HSV zum VfL zurück – und ist bis heute geblieben.
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Der erste deutsche Nationalspieler des VfL Wolfsburg: Zoltan Sebescen.
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Der eine war schnell, der andere schnell wieder weg: Die VfL-Stars Martin Petrov (l.) und Stefan Effenberg. Imago 00596178
Sensationelle Wendung

Effenberg hatte zu dieser Zeit schon die Bayern und den AC Florenz hinter sich, spielte gerade das zweite Mal für Borussia Mönchengladbach. Von dort ging er noch mal zu den Bayern, gewann dort Champions League und Weltpokal – als Führungsspieler, für den der Begriff „Agressive Leader“ erfunden wurde. 2002 lief sein Vertrag aus, es gab viele Spekulationen um seine Zukunft – und eine sensationelle Wendung, die ihn schließlich durchs Wolfsburger Hasselbachtal laufen lässt. VfL-Manager Peter Pander und der Kölner Anwalt und Spielerberater Norbert Nasse hatten diesen Deal eingefädelt. Für Präger, der nach einem Gastspiel beim HSV wieder zum VfL zurückgekehrt war, war es immer ein Segen, dass „ich als kleine Bratwurst in der Bundesliag spielen darf.“ Effenberg sah sich selbst eher als Segen für die Liga – und für „Downtown Wolfsburg“, wie er die Stadt bei seinem Abschied spöttisch nennt. 13 Bundesliga-Spiele bestreiten beide gemeinsan für den VfL. Als Trainer Wolfgang Wolf durch Jürgen Röber ersetzt wird, findet es Effe langsam ungemütlich in Wolfsburg. Er ist zu dick, meinen Röber und sein Assistent Bernd Storck; der Star schmollt, handelt mit Pander eine Vertragsauflösung aus und verkündet seinen Abschied via „Bild“ gleich mal selbst.

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Erfüllte die Erwartungen nie ganz: Argentiniens Super-Talent Andrés D‘Alessandro.
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Einer der besten Stürmer der Liga-Geschichte: Edin Dzeko, der 2007 zum VfL kam.
Präger gehört bis heute zum VfL, er hat Stars kommen, gehen und werden gesehen. Einige bauten ihren Ruhm in Wolfsburg auf. Zoltan Sebescen etwa, der 2000 erster deutscher VfL-Nationalspieler war. Oder Martin Petrov etwa, der enorm schnelle Bulgare, der 2001 für die Wolfsburger Rekordsumme von 6,5 Millionen Mark (!) aus Genf kam, nach etwas Anlaufzeit Wolfsburgs Bester wurde und 2005 für 10 Millionen Mark zu Atletico Madrid wechselte.

Einer steht über allen

Über allen, die in Wolfsburg zum Star wurden, steht aber Edin Dzeko, einer der komplettesten Stürmer, den die Liga je sah. Die 4 Millionen, die der unbekannte Bosnier 2007 kostete, galten als überteuert, er zahlte mit 66 Toren zurück, ist bis heute Wolfsburger Rekordtorschütze und war zusammen mit Sturmpartner Grafite der wohl wichtigste Faktor bei der Meisterschaft 2009. VfL-Helden für die Ewigkeit, genau wie Kevin De Bruyne, der als guter Spieler 2014 kam, den VfL zum Pokalsieg führte, und als überragender Spieler für überragende knapp 80 Millionen Euro Ablöse 2015 wieder ging.

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Überragender Spieler der Bundesliga: Kevin De Bruyne führte den VfL 2015 zum Pokalsieg.
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Wurden in Wolfsburg nicht glücklich: Julian Draxler, Max Kruse und André Schürrle (v. l.). Imago 14432728
Andere wiederum kamen als Helden, verloren aber an Glanz. Der Erste war Andrés D‘Alessandro. Top-Klubs buhlten um den Kapitän von River Plate, den der ebenfalls linksfüßige Diego Maradona schon zum Nachfolger ausgerufen hatte. Der damals 22-jährige Argentinier landete in Wolfsburg, weil Manager Pander im richtigen Moment die richtige Frage stellte: „Was kostet eigentlich der berühmte Junge ohne Haare?“. Er kostete knapp 9 Millionen Euro, wurde der dritte Wolfsburger Goldmedaillengewinner bei Olympia, erfüllte in zweieinhalb Jahren Wolfsburg die Erwartungen aber nur selten.

Etwas besser machte es da schon Marcelinho, der bei Hertha zum Bundesliga-Star avanciert war, in Trabzonspor litt und nach Deutschland zurück wollte. Beim VfL war er gut, aber nicht überragend – was nach ihm auch für die deutschen Top-Stars gelten sollte: André Schürrle, Max Kruse, Julian Draxler – alle waren schon Stars, als sie kamen, alle hatten ihre Momente – keiner überzeugte so richtig. Mario Gomez hat dazu noch die Chance.

In dieser Woche vor 20 Jahren

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Auf Platz vier überwintert: Willi Reimann und der VfL.
Klirrende Kälte und Schnee halten Wolfsburg nach dem Jahreswechsel 1996/97 in ihrem frostigen Griff. Die gute Stimmung beim Trainingsstart des VfL kann das nicht trüben. Minustemperaturen? Jann Jensen lacht sie einfach weg. „Es ist doch gar nicht kalt“, flachst der dänische Manndecker. Die allermeisten Zweitliga-Profis sind aber froh, als die Einheit vorbei ist, im Eiltempo geht‘s unter die warme Dusche. Nur Jens Keller bleibt noch auf dem Platz. „Optimale Vorbereitung ist wichtig“, so der Defensivspezialist. „Schließlich will ich mit dem VfL in die Bundesliga.“

Da lehnt sich einer zu weit aus dem Fenster, möchte man meinen. immerhin retteten sich die Wolfsburger in der Spielzeit 1995/96 nur dank eines fulminanten Endspurts von 14 ungeschlagenen Partien in Folge vor dem Abstieg. Doch sie nehmen diesen Schwung fast nahtlos mit in die neue Saison. Auf das Auftakt-0:2 bei Fortuna Köln folgt eine elf Spiele währende Erfolgsserie (fünf Siege, sechs Remis), die Grün-Weißen erobern einen der drei Aufstiegsplätze.


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Überwintern darf der VfL dort nicht, das 0:0 im Topspiel beim FSV Mainz 05 wirft ihn zum Hinrunden-Finale auf Platz vier zurück. im WAZ-interview zieht Willi Reimann trotzdem ein positives Fazit, von Aufstiegs-Träumereien hält er selbst zu diesem Zeitpunkt (noch) nichts. „Darüber“, sagt der VfL-Trainer, „mache ich mir keine Gedanken. ich denke nur an die Rückrunde.“

Die Vorbereitung darauf wird in der mit 78 Tagen opulent geratenen Zweitliga-Winterpause allerdings durch die widrige Witterung erschwert. Budenzauber statt Freiluft-Tests heißt es zunächst. Dann kommt der 25. Januar 1997. Eintracht Braunschweig sagt die ursprünglich für diesen Tag geplante Partie zwar ab, doch VfL-Manager Peter Pander aktiviert kurzerhand einen anderen Niedersachsen-Rivalen. in Wittingen geht‘s gegen Hannover 96. „Das war schon sehr ansehnlich“, sagt Reimann nach dem 1:1 gegen den Regionalliga-Überflieger. „Darauf können wir aufbauen.“

„Ich hatte das Glück, ein paar Tore zu schießen“

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Er war einer der Aufstiegshelden und wurde dann nicht nur der erste Wolfsburger Bundesliga-Star, sondern war auch sowas wie das Gesicht des VfL: Roy Präger. Dem Verein blieb der 45-jährige Brandenburger treu, arbeitet heute in der VfL-Fußballschule.
Haben Sie sich in den ersten Wolfsburger Bundesliga-Spielen als Star gefühlt?

Nein, aber ich habe schon verstanden, wie das so funktioniert: Ich hatte das Glück, in den ersten Spielen ein paar Tore zu schießen und dann haben sich die Medien eben auf mich gestürzt, das ist dann wohl normal.

An welches Erlebnis aus der Anfangszeit erinnern Sie sich besonders?


An das ZDF-Sportstudio. Nicht an den Auftritt, sondern an die Reise dahin. Wir hatten gegen Stuttgart 1:0 gewonnen, danach wurden VfB-Torwart Franz Wohlfahrt und ich mit dem Helikopter nach Mainz gebracht. Wir sind ziemlich dicht über dem Boden geflogen, man konnte unten sehr viel erkennen. Sowas hatte ich bis dahin noch nicht mitgemacht.

Sie gingen dann zum HSV, kamen 2002 wieder zurück, spielten aber nie mehr die Rolle wie zuvor...


Ich war älter geworden, der VfL hatte sich entwickelt. Vorne spielten Robson Ponte und Martin Petrov, dazu Diego Klimowicz. Alles tolle Spieler, da war es nicht leicht, an denen vorbeizukommen. Aber ich hatte meine Einsätze.

Und Sie haben mit Stefan Effenberg zusammengespielt, quasi der erste große VfL-Star.

Ein super Typ. Ich weiß, dass viele skeptisch waren, aber in der Kabine kam er gut an. Außer bei Miro Karhan, der vor Effe Kapitän war, zwischen den beiden stimmte es nicht. Stefan stand immer zu dem, was er gesagt hat.

Und wer waren die größten Stars seitdem?

Das ist schwer zu sagen. Kevin De Bruyne war einer, der seine Mitspieler besser gemacht hat – die wussten immer, dass sie ihm den Ball geben können und sie wussten immer, dass sie den Ball im richtigen Moment kriegen. Und Edin Dzeko und Grafite stechen als Duo heraus – was ihre Qualität, ihre Ausstrahlung und ihre Bedeutung für den VfL angeht.
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