Totenkopf-Schilder und ein Aus mit Applaus
20 Jahre, 20 Geschichten – Die AZ/WAZ-Serie zum Bundesliga-Jubiläum des VfL (6): Die ersten Schritte nach Europa
Es war ein lauwarmer Dienstagabend, als der VfL seine Europa-Premiere feierte. Am 14. September 1999 bestritten die Wolfsburger in ihrer 20-jährigen Geschichte in der Fußball-Bundesliga ihr erstes UEFA-Cup-Spiel der Vereinsgeschichte. Zum Start auf Europas Fußballbühne wartete der weithin unbekannte VSC Debrecen aus Ungarn. Etwas mehr als 7200 Fans waren gekommen, sehr viel mehr waren im Stadion am Elsterweg bei internationalen Spielen auch nicht erlaubt.
Die historischen Torschützen für das von Wolfgang Wolf trainierte Team damals hießen Charles Akonnor und Andrzej Juskowiak. Das hart umkämpfte Rückspiel wurde zwar mit 1:2 verloren, das Ticket für die zweite Runde war trotzdem gelöst – und das feierten damals gerade einmal zwei Dutzend VfL-Fans, die die Reise nach Ungarn angetreten hatten.
In der zweiten Runde ging‘s gegen Roda Kerkrade: Im Hinspiel in Holland hatte es ein 0:0 gegeben, im Rückspiel schlug dann die Stunde von Akonnor.
Heftiger Tritt ins Gesicht
Wegen eines Tritts ins Gesicht wurde er blutüberströmt an der Seitenlinie behandelt. „Der Schiri wollte mich zunächst nicht zurück auf den Platz lassen“, erinnert sich Akonnor, „aber dann ging‘s doch.“ Und der Ghanaer meldete sich so zurück, wie man es von ihm im UEFA-Cup gewohnt war – mit einem Tor. „Mein wichtigster Treffer für den VfL“, sagt der ehemalige Mittelfeldspieler. Runde drei, Wolfsburg war dabei.
Märchenhaft war bereits der Weg der Wolfsburger nach Europa. Denn: In seiner zweiten Bundesliga-Saison stand der VfL nach sieben Spieltagen auf dem letzten Tabellenplatz, gewann dann aber fünf Spiele in Folge, wurde am Ende Sechster – das Europa-Abenteuer war geschafft. Es endete übrigens erst im legendären Estadio Vicente Calderón von Atletico Madrid. Nach einem 2:3 im Hinspiel folgte ein 1:2 im Rückspiel – obwohl Akonnor in beiden Spielen getroffen hatte. „Dennoch war das ein großer Erfolg für uns. Wenn ich nur an die Mannschaft von damals denke: Roy Präger, der wie ein Tiger gekämpft hat, oder ein Andrzej Juskowiak oder ein Krzysztof Nowak – alle haben an einem Strang gezogen, alle wollten etwas erreichen“, erinnert sich Akonnor gern an diese Phase seiner Karriere zurück.
In den Jahren danach reichte es für die Wolfsburger immer „nur“ für den UI-Cup. Gleich fünfmal (2000, 2001, 2003, 2004, 2005) versuchte der VfL, sich über diesen vor die Saison gelagerten Wettbewerb doch noch für den UEFA-Cup zu qualifizieren.
Die VfL-Profis mussten dabei abenteuerliche Reisen zurücklegen – etwa nach Vinkovci (Kroatien), bei der auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel auf Schildern mit Totenköpfen vor Tretminen gewarnt wurde, die noch aus dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien dort lagen. Im Sommer 2003 war das, Wolfsburg setzte sich durch, kam bis ins Finale und scheiterte da am AC Perugia. Und der damalige Kapitän Stefan Schnoor kritisierte, dass in entscheidenden Momenten der Spiele (der VfL verlor 0:1 und 0:2) leichte Fehler gemacht wurden: „Für Europa“ müsse man im richtigen Moment auch „Schwein sein!“
Die VfL-Profis mussten dabei abenteuerliche Reisen zurücklegen – etwa nach Vinkovci (Kroatien), bei der auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel auf Schildern mit Totenköpfen vor Tretminen gewarnt wurde, die noch aus dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien dort lagen. Im Sommer 2003 war das, Wolfsburg setzte sich durch, kam bis ins Finale und scheiterte da am AC Perugia. Und der damalige Kapitän Stefan Schnoor kritisierte, dass in entscheidenden Momenten der Spiele (der VfL verlor 0:1 und 0:2) leichte Fehler gemacht wurden: „Für Europa“ müsse man im richtigen Moment auch „Schwein sein!“
Europa-Comeback 2008
Drei Jahre später kam‘s zum Comeback auf Europas Fußball-Bühne. Unvergessen dabei das 4:2 am letzten Bundesliga-Spieltag in Dortmund, mit dem sich der VfL Platz fünf sicherte. Der Lohn: Duelle mit Rapid Bukarest, SC Heerenveen, Sporting Braga, FC Portsmouth, AC Mailand und Paris St. Germain. Gegen die Franzosen flog Wolfsburg raus. Es war ein Aus mit Applaus, denn der VfL hatte sich in Europa einen Namen gemacht.
Drei Jahre später kam‘s zum Comeback auf Europas Fußball-Bühne. Unvergessen dabei das 4:2 am letzten Bundesliga-Spieltag in Dortmund, mit dem sich der VfL Platz fünf sicherte. Der Lohn: Duelle mit Rapid Bukarest, SC Heerenveen, Sporting Braga, FC Portsmouth, AC Mailand und Paris St. Germain. Gegen die Franzosen flog Wolfsburg raus. Es war ein Aus mit Applaus, denn der VfL hatte sich in Europa einen Namen gemacht.
Nach der Meisterschaft 2009 ging‘s dann erstmals in die Champions League – zeitgleich übrigens mit dem VSC Debrecen, der sich im selben Jahre ebenfalls erstmals für die Königsklasse qualifizierte. Nach dem Scheitern in der Gruppenphase durfte der VfL in der Europa League weitermachen, dem Nachfolge-Wettbewerb des UEFA-Cups. Es ging bis ins Viertelfinale, eher der FC Fulham da eine Nummer zu groß war. Bis in die Runde der letzten Acht schaffte es der VfL auch in der Spielzeit 2014/15, als nach Erfolgen gegen Krasnodar, Lille, Sporting Lissabon und Inter Mailand das Aus gegen den SSC Neapel kam.
Nächsten Mittwoch: Die Champions League
Nächsten Mittwoch: Die Champions League
In dieser Woche vor 20 Jahren
Das Beste kommt auch am 19. Zweitliga-Spieltag zum Schluss. Am 3. März 1997 steigt in Berlin das Topspiel zwischen dem Tabellenzweiten Hertha BSC und Verfolger Wolfsburg. Die positive Nachricht für den VfL: Die Montagabend-Partie wird live vom DSF übertragen.
Die schlechte: Die Montagabend-Partie wird live vom DSF übertragen... Das klingt paradox, trifft aber einen wahren Kern. Denn die TV-Präsenz ist für die Grün-Weißen Fluch und Segen zugleich. Die mediale Aufmerksamkeit tut einem Verein, der selbst in der eigenen Stadt kein Zuschauermagnet ist (5200 pro Heimspiel), natürlich gut. Einerseits. Andererseits kann der VfL in der 2. Liga vor Live-Kameras des DSF einfach nicht gewinnen.
Als Sixten Veit die Hertha in der 61. Minute per Nachschuss in Führung bringt, ist es keinesfalls beschlossene Sache, dass die TV-Negativserie auch in der Bundeshauptstadt bestehen bleibt. Denn der VfL ist bis dahin die bessere Mannschaft, schaltet blitzartig von Abwehr auf Angriff um. Es hapert allerdings an der Chancenverwertung, allein Michael Spies scheitert in der ersten Hälfte gleich dreimal in aussichtsreicher Position.
Und das Veit-Tor ist ein Schock, von dem sich die Wolfsburger nicht mehr erholen. Die Dramaturgie des Hinspiels, als sie in der Endphase noch zum 1:1 kamen, wiederholt sich deshalb nicht. Es bleibt beim 0:1. Vorwürfe kann und will VfL-Trainer Willi Reimann seinem Team aber nicht machen: „Das Einzige, was ich bemängeln muss, ist die fehlende Cleverness vorm Tor.“
Reimann hat freilich noch ein weiteres Problem – er muss erneut einen neuen Libero finden. Matthias Maucksch (Kreuzbandriss) fehlt bis zum Saisonende, Vertreter Zoran Tomcic sieht in Berlin spät Gelb-Rot und fällt für die nächste Partie beim FC Gütersloh aus. Kleiner Lichtblick: Das DSF wird keine Livebilder von diesem Spiel zeigen...
Die schlechte: Die Montagabend-Partie wird live vom DSF übertragen... Das klingt paradox, trifft aber einen wahren Kern. Denn die TV-Präsenz ist für die Grün-Weißen Fluch und Segen zugleich. Die mediale Aufmerksamkeit tut einem Verein, der selbst in der eigenen Stadt kein Zuschauermagnet ist (5200 pro Heimspiel), natürlich gut. Einerseits. Andererseits kann der VfL in der 2. Liga vor Live-Kameras des DSF einfach nicht gewinnen.
Als Sixten Veit die Hertha in der 61. Minute per Nachschuss in Führung bringt, ist es keinesfalls beschlossene Sache, dass die TV-Negativserie auch in der Bundeshauptstadt bestehen bleibt. Denn der VfL ist bis dahin die bessere Mannschaft, schaltet blitzartig von Abwehr auf Angriff um. Es hapert allerdings an der Chancenverwertung, allein Michael Spies scheitert in der ersten Hälfte gleich dreimal in aussichtsreicher Position.
Und das Veit-Tor ist ein Schock, von dem sich die Wolfsburger nicht mehr erholen. Die Dramaturgie des Hinspiels, als sie in der Endphase noch zum 1:1 kamen, wiederholt sich deshalb nicht. Es bleibt beim 0:1. Vorwürfe kann und will VfL-Trainer Willi Reimann seinem Team aber nicht machen: „Das Einzige, was ich bemängeln muss, ist die fehlende Cleverness vorm Tor.“
Reimann hat freilich noch ein weiteres Problem – er muss erneut einen neuen Libero finden. Matthias Maucksch (Kreuzbandriss) fehlt bis zum Saisonende, Vertreter Zoran Tomcic sieht in Berlin spät Gelb-Rot und fällt für die nächste Partie beim FC Gütersloh aus. Kleiner Lichtblick: Das DSF wird keine Livebilder von diesem Spiel zeigen...
„Das Blut-Trikot habe ich nie gewaschen“
In seiner Heimat Ghana, wo er den Dreams FC in der Hauptstadt Accra trainiert, ist er ein Star: Charles Akonnor. Beim VfL Wolfsburg war der Linksfuß auch einer. zwischen 1998 und 2004 absolvierte er 121 Ligaspiele für den VfL, die ersten Europapokal-Auftritte sind eng mit dem späteren Kapitän des Teams verbunden.
Der VfL erstmals auf der europäischen Bühne – wie oft denken Sie an 1999 zurück?
Immer, wenn ich an Wolfsburg denke, denke ich auch an diese Zeit damals. Es war eine wunderbare Geschichte, die ich nie vergessen werde.
Was verbinden Sie damit?
Wir hatten eine tolle Mannschaft und für mich selbst war es der Höhepunkt meiner Karriere.
Sie haben sich mit vier Toren zum „Mister UEFA-Cup“ geballert...
Das klingt doch nicht schlecht. Besonders gern denke ich an das Spiel damals gegen Roda Kerkrade.
Warum gerade dieses Duell?
Nachdem wir in Kerkrade 0:0 gespielt hatten, ist mir bei unserem Weiterkommen im Rückspiel das Tor dafür gelungen. Dabei hatte ich mich zuvor im Gesicht verletzt, mein Trikot war voller Blut. Aber ich wollte unbedingt weiterspielen und meiner Mannschaft helfen. Denn wir hatten dieses Weiterkommen so sehr verdient – und haben es am Ende auch geschafft. Allerdings: Es tat ganz schön weh...
Haben Sie Ihr VfL-Trikot aus dieser Begegnung eigentlich noch?
Ja, klar. Es hängt in meinem Haus hier in Accra. Und soll ich Ihnen etwas verraten?
Was denn?
Das Trikot ist immer noch voller Blut, ich habe es nie gewaschen – und das bleibt auch so...
Wie intensiv verfolgen Sie Ihren Ex-Verein VfL Wolfsburg heute noch?
Ich versuche, so oft es geht, die Spiele im Fernsehen zu schauen. Im ghanaischen Fernsehen werden jedes Wochenende Spiele gezeigt, manchmal ist auch der VfL dabei. Ich bin da häufiger mal in einer TV-Sendung zu Gast, in der die Spiele dann ausführlich analysiert werden.
Immer, wenn ich an Wolfsburg denke, denke ich auch an diese Zeit damals. Es war eine wunderbare Geschichte, die ich nie vergessen werde.
Was verbinden Sie damit?
Wir hatten eine tolle Mannschaft und für mich selbst war es der Höhepunkt meiner Karriere.
Sie haben sich mit vier Toren zum „Mister UEFA-Cup“ geballert...
Das klingt doch nicht schlecht. Besonders gern denke ich an das Spiel damals gegen Roda Kerkrade.
Warum gerade dieses Duell?
Nachdem wir in Kerkrade 0:0 gespielt hatten, ist mir bei unserem Weiterkommen im Rückspiel das Tor dafür gelungen. Dabei hatte ich mich zuvor im Gesicht verletzt, mein Trikot war voller Blut. Aber ich wollte unbedingt weiterspielen und meiner Mannschaft helfen. Denn wir hatten dieses Weiterkommen so sehr verdient – und haben es am Ende auch geschafft. Allerdings: Es tat ganz schön weh...
Haben Sie Ihr VfL-Trikot aus dieser Begegnung eigentlich noch?
Ja, klar. Es hängt in meinem Haus hier in Accra. Und soll ich Ihnen etwas verraten?
Was denn?
Das Trikot ist immer noch voller Blut, ich habe es nie gewaschen – und das bleibt auch so...
Wie intensiv verfolgen Sie Ihren Ex-Verein VfL Wolfsburg heute noch?
Ich versuche, so oft es geht, die Spiele im Fernsehen zu schauen. Im ghanaischen Fernsehen werden jedes Wochenende Spiele gezeigt, manchmal ist auch der VfL dabei. Ich bin da häufiger mal in einer TV-Sendung zu Gast, in der die Spiele dann ausführlich analysiert werden.